Plumelec (dpa) - Milram drängt im deutschen Profi-Radsport in die Pole Position. Für das vor dem K.o. stehende Gerolsteiner-Team ist die Tour de France die letzte Überlebenschance, für den einzigen nationalen Konkurrenten die ideale Plattform, um sich zu präsentieren.
«Das Team will ein bisschen weg von dem Image, ein Sprinterteam zu sein», skizzierte Milram-Kapitän Erik Zabel die bereits begonnene Umstrukturierung. Dabei könnte ausgerechnet den jetzigen Gerolsteiner-Assen eine entscheidende Rolle zukommen. Denn je schwieriger sich die Suche von Teamchef Hans-Michael Holczer gestaltet, einen Nachfolge-Geldgeber für den zum Saisonende scheidenden Mineralwasser-Hersteller aus der Eifel zu präsentieren, desto größer ist die Möglichkeit, dass Markus Fothen, Fabian Wegmann und Co. in Dortmund anheuern. «Was Milram macht, gefällt mir. Es wäre eine Herausforderung, wieder mit einem Team zu wachsen», sagte Fothen, der bei der Tour einen Klassements-Platz «im tiefen, einstelligen Bereich» anstrebt. «Ich werde mich jetzt mit den Leistungen bei der Tour bei anderen Teams vorstellen», machte der 26-Jährige am Wochenende unmissverständlich klar.
Wie der frischgekürte deutsche Meister Wegmann («Es gibt Leute, die wechseln die Teams wie Unterhosen. Das ist bei mir nicht der Fall») würde aber auch Fothen «am liebsten» bei seinem Förderer Holczer bleiben. Doch der Gerolsteiner-Boss hat sich bislang die Zähne daran ausgebissen, einem Sponsor das von ihm angepriesene «Filetstück» für eine jährliche Aufwendung «zwischen vier und acht Millionen Euro» schmackhaft zu machen.
Und so rührt der umtriebige Schwabe bereits die Werbetrommel in eigener Sache. «Ich glaube, ich habe gezeigt, dass ich als Teamleiter in der Lage bin, eine Mannschaft zu führen», meinte Holczer, der es nicht ausschloss, bald «nichts mehr mit dem Radsport zu tun» zu haben. Denn aufgrund der Doping-Problematik wisse jeder potenzielle Sponsor, dass er nicht in ein «Heile-Welt-Thema» investiere. Die Rückkehr in den Lehrer-Beruf steht ihm weiter offen - er ist bis zum Sommer 2009 freigestellt.
Sollte Holczers Verhandlungsmarathon scheitern und nach T-Mobile die zweite deutsche Radsport-Ära binnen kurzer Zeit ihr Ende finden, will er sich für jeden seiner Fahrer einsetzen, der keinen Manager hat. Zumindest Wegmann, der 2002 seine Profi-Karriere bei Gerolsteiner begann, hat schon erste Kontakte zu anderen Teams geknüpft. «Milram ist natürlich dabei. Ich schaue jedes Jahr am Anfang, welches Team zu mir passen könnte», betonte der 28-Jährige.
Milram-Teamchef Gerry van Gerwen und Hauptsponsor Nordmilch dürften derartige Avancen wohlwollend registrieren. Denn nach dem baldigen Ende der von den Altstars Zabel und Alessandro Petacchi geprägten Sprinter-Ausrichtung soll künftig der Fokus auch auf die Gesamtwertung großer Rundfahrten gerichtet werden. So werden bereits erste Verbindungen zum deutschen Hoffnungsträger Linus Gerdemann nachgesagt, dessen Vertrag beim T-Mobile-Nachfolger Columbia Ende 2009 ausläuft. «Wir werden in Zukunft sicher sehr viel mehr deutsche Fahrer haben», kündigte Nordmilch-Vorstand Martin Mischel an.
Mischel räumte ein, mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Probleme des nationalen Rivalen zu schauen. Mit Blick auf den gesamten Radsport in Deutschland würde er zwar ein Gerolsteiner-Aus bedauern, doch «aus Marketing-Gesichtspunkten ist das eine Entwicklung, die uns entgegen kommt».