Lyon (dpa) - Die Feier zum 100. Geburtstag der Tour de France nähert sich dem Höhepunkt. 14 Steigungen an drei Tagen, insgesamt 172 Kilometer bergauf: In den Alpen fällt die Vorentscheidung.
Schon am Freitag wurde die 13,8 km lange Steigung nach L'Alpe d'Huez, die am Sonntag im Finale der 8. Etappe auf dem Programm steht, zum Wallfahrtsort für Tour-Fans. Womöglich muss Jens Voigt seine vor dem Mannschaftszeitfahren wahrscheinlich etwas leichtsinnig angebotene Wette noch ein Mal überdenken. Der Berliner wollte seine beiden Autos verwetten, dass Lance Armstrong nicht bis Paris durchhält. Die Körpersprache des Texaners hätte das auf den ersten Etappen ausgedrückt.
«Vor den Alpen hat jeder Angst - Armstrong auch», sagte Jan Ullrich, gab aber zu, das auch er sich auf unbekanntes Terrain begibt: «Wir müssen alle sehen, wo wir stehen». Sein zweiter Platz auf der Königsetappe der Tour de Suisse in Silvaplana hat da nur eine bedingte Aussagekraft. «Am Sonntag, am Ende der Königsetappe in L'Alpe d'Huez, wird zumindest feststehen, wer die Tour nicht mehr gewinnen kann», meinte Telekom-Teamchef Mario Kummer, der Santiago Botero und Alexander Winokurow als Unruhestifter in den Bergen zum attackieren auf die Reise schicken will.
Jörg Ludewig, einer von vier deutschen Tourstartern, die in ausländischen Teams Dienst tun, will den bergfesten Giro-Gewinner Gilberto Simoni zumindest in den Flachstücken zwischen den Anstiegen - so weit es geht - weiter pilotieren. «Bisher hat das super geklappt. Ich bekomme von überall Lob für meine Arbeit. Abends kommt Gilberto immer in mein Zimmer und bedankt sich. Da schlägt ein Helfer-Herz höher», erzählte der Tour-Debütant, der nach den Etappen im Nacken immer so verspannt ist, weil er bei der hektischen Veranstaltung die Hände ständig an den Bremsen hat, «als hätte ich zehn Stunden Rasen gemäht».
Die Tour sei sein «Lebenstraum», aber auch das «volle Stress-Programm» und mit seinen beiden Auftritten bei der Spanien-Rundfahrt in keiner Form zu vergleichen. Von seinem italienischen Saeco-Team, in dem er früher auch für Mario Cipollini mit die Spurts anzog, wurde erst drei Tage vor Tour-Start nominiert. Platz fünf bei den deutschen Meisterschaften in Spalt - «Rolf Aldag von Telekom hat mich freundlicherweise vorgelassen» - hat vielleicht den letzten Ausschlag für die Nominierung gegeben und diente als letzter Form-Beweis.
Manch anderer Fahrer mir dem T auf der Brust sei unterwegs nicht so zuvorkommend: «Manche grüßen nicht einmal», monierte Ludewig, der das italienische Lebensgefühl liebt, nach vier Jahren jetzt auch schon «zu 70 bis 80 Prozent perfekt italienisch» spricht und mit seiner Freundin auch den Umzug an den Lago d'Iseo in Norditalien erwägt. Pilotendienste für seinen Chef Simoni, der Armstrong vor der Tour verbal attackiert hatte und ihm harte Stunden in den Bergen prophezeite, ist nicht das einzige, mit dem sich der 27 Jahre alte Steinhagener beschäftigt. Auf verschiedenen Internetseiten erscheint sein Tour-Tagebuch und vielleicht steht auch deshalb zur Zeit «ganz Ostwestfalen-Lippe Kopf».
Nach der Enttäuschung des Mannschaftszeitfahrens, bei dem Simoni 3:02 Minuten auf Armstrongs US Postal-Team verlor und damit den Traum vom Gelben Trikot schon ausgeträumt hat, prophezeite Ludewig ab Samstag Attacken seines Chefs «sobald die Straße nach oben führt». Trotz Voigts Bedenken wird Armstrong wahrscheinlich auch dagegen die richtigen Rezepte parat haben.