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Jan Ullrich (m) im Gelben Trikot des Gesamtsiegers dreht mit seinen Mitstreitern vom Team Deutsche Telekom 1997 auf den Champs-Elysees in Paris vor begeisterten Zuschauern eine Ehrenrunde.
04.07.2003 09:45
Ullrichs Tour-Sieg spukt in den Köpfen

Paris (dpa) - Die Taktik verbietet, darüber zu sprechen. Der gesunde Menschenverstand erst recht. Trotzdem spukt bei Jan Ullrich, seinem Betreuer und Teamchef Rudy Pevenage sowie manch anderem sicher der Gedanke an den zweiten Tour-de-France-Sieg nach 1997 durch den Kopf. «Es gibt noch Wunder», sagte Ullrich im Mai nach seinem Sieg bei «Rund um Köln», womit er sich bei seinem erstaunlichen Comeback nach 14 Monaten Zwangspause wieder als Sieger präsentiert hatte - wenn auch nur in einem drittklassigen Rennen.

Vor einem Jahr war der beliebte Sportler mit den lustigen Sommersprossen ganz unten: Zwei Knie-Operationen, Doping-Sperre nach einem Extasy-Ausrutscher, Führerschein-Entzug nach Fahrerflucht bei Trunkenheit, Laufpass beim Team Telekom. Das trotzig angekündigte Comeback traute ihm kaum einer wirklich zu. Aber Ullrich rappelte sich tatsächlich wieder auf und gehört zumindest zum erweiterten Favoritenkreis für die Jubiläums-Tour, die am Samstag in Paris gestartet wird.

Sein ehemaliger Teamchef Walter Godefroot, der eigentlich zum Thema Ullrich nichts mehr sagen wollte, sieht die 90. Tour wie die vorigen - so, als hätte es die folgenschweren Ausrutscher des inzwischen 29-Jährigen, der im Mai auch noch den zweiten Teamwechsel innerhalb von fünf Monaten verkraften musste, nicht gegeben: «Lance Armstrong und Ullrich. Dann kommt eine Weile nichts.»

Auch Lothar Heinrich, Freiburger Arzt, Trainings-Analytiker bei Telekom und mit Ullrich bis zu dessen Demission beruflich eng verbunden, traut dem zweifachen Zeitfahr-Weltmeister viel zu: «Ein Platz unter den ersten drei ist ganz sicher drin. Ob es sogar zum Sieg reichen kann, ist auch eine Frage des Glücks.»

Altmeister Rudi Altig hält viel vom «neuen» Ullrich: «Er ist wieder motiviert, hat wieder Lust. Wenn alles optimal läuft, kann er Armstrong schlagen.» Der gleichen Meinung ist der ehemalige Stunden- Weltrekordler und Tour-Zweite Tony Rominger (Schweiz), der Ullrich als Chef der Tour de Suisse zuletzt hautnah begutachten konnte.

Trotz viel versprechender positiver Zeichen in der Vorbereitung, die durch die Querelen um den Wechsel von Coast zu Bianchi erheblich gestört war, bleiben die direkt Beteiligten auf dem Teppich und betreiben lieber Understatement. «Alles, was Jan jetzt nicht gebrauchen kann, ist der Druck, den viele in Deutschland jetzt wieder machen. Lance Armstrong ist der Top-Favorit und wenn Jan in Paris auf's Podium fahren sollte, wäre das eine Sensation», lautet die offizielle Version von Pevenage. Über seine heimlichen Hoffnungen redet der Belgier, der Ullrich Ende Dezember von Telekom zu Coast folgte, nicht.


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