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Die Elektro-Bikes von «Flyer» zeigen ihren Antrieb ganz offen und fahren im Gelände deutlich besser als sie aussehen. Die Steuerung erfolgt einfach über einen kleinen Computer am Lenker. Fotos: «rad-net»
14.06.2010 20:00
Testfahrt im Salzkammergut: Mit dem E-Bike im Gelände

Bad Goisern (rad-net) - Heimat des größten Mountainbikerennens Österreichs, 1450 Kilometer erschlossene Mountainbikewege und allein 40 Gastgeber, die ihre Hotels und Unterkünfte ganz auf die Bedürfnisse von Bikern eingestellt haben: Das Salzkammergut hat gute Argumente, eine Rolle als Top-Destination für Geländespezialisten zu beanspruchen. In dieser Woche macht sich die Redaktion von «rad-net» vor Ort ein Bild und war zunächst mit dem E-Bike in den Bergen oberhalb von Gad Goisern unterwegs.

Der Vorschlag, den Helmut Simonlehner am Frühstückstisch macht, provoziert zunächst Ablehnung. Warum wollen wir nicht mal mit E-Bikes ins Gelände, will der Leiter des Mountainbike-Zentrums Salzkammergut wissen. Was soll man antworten? Wir sind Radsportler, keine Rentner. Aber irgendwie hört sich die Idee spannend an. In der Zweiradindustrie ist das E-Bike derzeit erstes Thema und im Profiradsport wird heiß über das angeblich elektrisch getunte Rennrad von Fabian Cancellara diskutiert. Grund genug, selbst einmal mit dem E-Bike auf Tour zu gehen - am besten natürlich gleich im Härtetest im Gelände.

Der erste Eindruck ist jedoch ernüchternd. Von einem richtigen Mountainbike ist das E-Bike noch so weit entfernt wie der Käfer vom Porsche. Statt Tretlager mit drei Kettenblättern gibt es ein klobiges Etwas, darin der Motor, dazu am Sattelrohr eine groß dimensionierte Batterie, die auch den ersten Fahreindruck gewaltig stört: Die Waden touchieren den Akku. Aber das gleicht die Fahrdynamik des Bikes schnell wieder aus. Fast mühelos lässt es sich auf der Straße beschleunigen, gefühlt fährt man nur bergab. Bei einer vom Rennrad gewohnten Trittfrequenz ist der Effekt aber schnell dahin. Irgendwo ab 80 regelt die Elektronik den bis zu 300 Watt starken Motor ab und überlässt allein dem Fahrer die Arbeit für den Vortrieb. Das führt zu dem ungewohnten Effekt, dass sich im eigentlich schwereren Gang oft leichter treten lässt als mit der gewohnten Kadenz. Aber den Berg kämpft man sich eh in langsamerem Tritt hinauf.

Unterhalb von Bad Goisern führt die Route endlich in den Wald hinein. Der erste Anstieg, gewöhnlich auch Gelegenheit zum ersten Test unbekannter Mitfahrer: Wer hat was drauf? Wer ist wie stark? Großer Nachteil heute, mit elektrischer Fahrhilfe reichen Blick nach eingelegtem Gang und Gesichtseindruck nicht mehr aus, sich ein Bild der Lage zu machen. Der Elektromotor der Bikes gibt seine Unterstützung in den Stufen «Eco», «Standard» und «High» weiter. Das verspricht angepasst an die Leistung des Fahrers ein Plus von 50, 100 oder 150 Prozent. Auf dem kleinen Display am Bike des Nebenmanns lässt sich aber kaum ablesen, auf wie viel elektrische Unterstützung er setzt. Einzig das leise Surren des Motors, bei der Fahrt im Gelände aber kaum zu hören und nur selten störend, lässt Rückschlüsse zu. Oder plötzlich Leistungsexplosionen.

Eine Rampe unterhalb des Kufbergs führt durch den Wald geradewegs Richtung Himmel - und lässt erstmals wirklich erahnen, was alles in den Bikes steckt. Ein Knopfdruck am Computer am Lenker, der etwa die Größe eines kleinen mobilen Navigationsgeräts hat, und das Programm springt von «Eco» auf «Standard» und das Bike revidiert den ersten Eindruck endgültig und schießt geradezu nach vorn. Die nächste Stufe ist dagegen ernüchternd, bei «High» passiert gefühlt nicht mehr als im Modus darunter. «Aber einem bestimmten Krafteinsatz regelt der Motor ab, dann geht die Elektronik davon aus, dass der Fahrer lieber selber arbeiten will», erklärt Simonlehner als es unterhalb des Rosenkogel etwas flacher wird.

Apropos Arbeit: Ohne zu schwitzen kommt man auch mit dem E-Bike nicht den Berg hinauf. Im Gegenteil. Die Schmerzen in den Beinen und das vom Helmrand tropfende Schwitzwasser entsprechen exakt einer Bergfahrt mit einem herkömmlichen Bike. Der Unterschied ist die Geschwindigkeit. Auch in den steilsten Rampen zeigt das Display der Steuerung nur selten weniger als sieben Kilometer pro Stunde. Vielleicht ist das Fahren mit Elektrounterstützung vergleichbar mit dem Motortraining auf dem Rennrad. Die Belastung kann ähnlich gestaltet werden wie beim Training im Wind oder ohne Motor, allein die Geschwindigkeit ist höher.

Hier sieht Mountainbike-Guide Simonlehner auch die größte Chance für den Einsatz der in der Geländeversion gut 4000 Euro teuren Räder. «Auf diesem Weg können zum Beispiel leistungsschwächere Fahrer mit sehr gut trainierten Gruppen mitfahren oder auch Menschen, die vielleicht ein orthopädisches Problem haben, wieder ausgedehnte Touren machen», so der 38-Jährige. Wer das Gefühl einmal ausprobieren will, muss nicht gleich einen vierstelligen Betrag investieren. Die Tagesmiete für die Bikes liegt bei 35 Euro.

Kurze Pause an der Hoisnradalm. Von hier gibt‘s normalerweise einen erstklassigen Blick auf Bad Ischl und den Hausberg Katrin. Der größte Teil des Panoramas versteckt sich aber heute zwischen Wolkenfetzen. Dafür ist auch niemand unterwegs, der unseren Vorwärtsdrang bremsen könnte. Nach dem Panoramastop führt der Weg einen kleinen Abschnitt zurück, das bedeutet Anfahren am Berg. Schon mit dem Rennrad nicht ganz einfach, mit dem Mountainbike auf einem schmalen Schotterweg noch schwieriger. Aber diesmal kein Problem: Das Gewicht auf das erste Pedal und das Bike nimmt unverzüglich Fahrt und Schwung auf. Fast so, als sei das Gelände eine flache Teerstraße und kein Schotter mit locker zwölf Prozent Steigung. Die gewohnten Pausenstand, den linken Fuß auf dem Boden, den rechten im Pedal, sollte man sich allerdings abgewöhnen. Nur leichtes Gewicht rechts, und mit einem leichten und nur im Stand spürbaren Vibrieren, drängt der Elektroantrieb bereits voran.

Ein Nachteil der Bikes wird deutlich, als ein Baum und sein Geäst die Weiterfahrt verhindern: Kein Durchkommen. Nur oben herum, den Hang entlang, geht‘s weiter. Eine kurze Kletterpartie, die durch das enorme Eigengewicht der Bikes kein Vergnügen macht. Gut 20 Kilogramm bringen die Räder inklusive Motor und Akku auf die Waage. «Getunt kommt man inzwischen aber auch auf 16,5 Kilogramm», sagt Simonlehner. Trotzdem - dieses Gewicht ist noch weit entfernt von dem eines guten Marathon-Bikes. Simonlehner: «Aber das Gewicht macht der Motor locker wieder weg.»

In der Tat, selbst in der geringsten Leistungsstufe fährt sich das E-Bike wie ein Leichtgewicht. Schaltet man den Motor ab, fühlt sich das in der Ebene oder am Berg dagegen an, als habe jemand den Stecker gezogen. Über 2000 Höhenmeter soll der Akku der Bikes von «Flyer» halten. Eine Rückgewinnung von Energie während der Abfahrt oder beim Bremsen gibt es derzeit nicht. «Dafür fehlt dem Bike anders als dem Hybridauto einfach die Masse», erklärt Simonlehner. In der Abfahrt fährt sich das 20-Kilogramm-Bike fast wie ein normales Mountainbike. Einzig der Akku klappert nach der Schüttelpartie ein wenig. Also weghören und lieber das Gefühl genießen, aus einer Kurve heraus in wenigen Tritten mit Turboantrieb beschleunigen zu können.

Fazit: Vorbehalte vergessen und einfach mal ausprobieren, das Fahrgefühl ist eindrucksvoll. Die E-Bikes der aktuellen Generation sind geländegängig und erfordern keine weitere technische Einweisung. Für Paare mit ungleichem Leistungsvermögen vielleicht die erste Chance, wirklich gemeinsame Geländetouren zu machen. Die einzige Grenzen setzt der Akku, abhängig vom Einsatz des elektrischen Zusatzantriebes sollen gut 2000 Höhenmeter damit machbar sein.

Audio: Helmut Simonlehner über das Mountainbiken im Salzkammergut

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