Annemasse (dpa) - Noch vor Wochen war es nur ein Traum, doch nun ist das Glück zum Greifen nahe. Nur wenige Kilometer trennen Andreas Klöden bei der 91. Tour de France noch von einem Podiumsplatz.
Zur Überraschung vieler Experten liegt der 29 Jahre alte Radprofi hinter Seriensieger Lance Armstrong und Ivan Basso auf dem dritten Platz der Gesamtwertung. Die Chancen auf einen Eintrag in die Geschichtsbücher sind groß: Zieht Klöden beim 55 Kilometer langen Einzelzeitfahren in Besancon noch an dem nur 1:02 Minuten vor ihm liegenden Italiener vorbei, wäre er nach Kurt Stöpel und Jan Ullrich der dritte Deutsche, der die Rundfahrt auf dem zweiten Rang beendet.
Binnen weniger Tage ist das Interesse an seiner Person sprunghaft gestiegen. Nicht nur bei der Königsetappe der diesjährigen Tour nach Le Grand-Bornand trat Klöden aus dem langen Schatten von Jan Ullrich. Erst in letzter Sekunde vereitelte der fünfmalige Gesamtsieger Armstrong den ersten Etappensieg des Deutschen vom Team T-Mobile. Unbeeindruckt vom Höllentempo hinauf zum Col de la Croix-Fry, dem nur die fünf Besten aus dem Gesamtklassement und Armstrong-Helfer Floyd Landis gewachsen waren, ergriff Klöden wenige Minuten später im Finale die Initiative.
Ullrich hielt sich dabei zurück und bezeugte seinem eigentlich als Helfer vorgesehenen Teamgefährten damit seine Loyalität. Als Hinweis auf einen künftigen Hierarchie-Wechsel im Team T-Mobil wollte Klöden diesen Rennverlauf jedoch nicht verstanden wissen. «Ich werde auch in Zukunft gern sein Helfer sein. Wenn Jan gesund ist, ist er der beste deutsche Fahrer.»
Aus seiner famosen Tour will Klöden keine Ansprüche ableiten. Seit Jahren verbindet ihn mit Ullrich ein freundschaftliches Verhältnis, nie kamen Zweifel an seiner Rolle als Edelhelfer. Selbst als sich mit dem Weggang von Ullrich beim Team Telekom kurzfristig eine Chance zu einer exponierteren Stellung ergab, machte sich der neue Shootingstar für die Rückkehr des Tour-Siegers von 1997 stark: «Ich war einer derjenigen, die Jan gesagt haben, dass unser Team eine gute Chance für ihn wäre, nochmal einzugreifen.»
Doch weil aus dem geplanten Angriff auf die Vormachtstellung von Armstrong schon in den Pyrenäen eine neuerliche Niederlage für Ullrich wurde, nutzte Klöden die Gunst der Stunde. «Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich bei einer Bergankunft mit den besten mithalten kann», sagte der Ullrich-Trainingspartner. Danach fiel jeder Anstieg leichter: «Früher habe ich oft am letzten Berg abreißen lassen. In diesem Jahr bin ich einfach mitgefahren.»
Die Mühen haben sich gelohnt. In die nun anstehenden Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung beim Team T-Mobile geht Klöden mit gestärktem Selbstvertrauen. Mit einem starker Auftritt in Athen könnte der eigene Wert weiter gesteigert werden. Doch rund drei Wochen vor dem olympischen Straßenrennen und Zeitfahren will Klöden nicht zu viel versprechen: «Ich muss nach der Tour erstmal sehen, wie lange der Sprit noch reicht.»