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Lennard Kämna auf der Strecke der Tour de France. Foto: Bora-hansgrohe/Bettiniphoto
07.09.2020 20:50
1. Teil von «Fragt den Kämna»: «Freue mich auf die Alpen»

Hagen (rad-net) - Während der ersten Woche der Tour de France haben uns im Rahmen des ersten Teils von «Fragt den Kämna» einige Fragen zur Frankreich-Rundfahrt, Corona und der Stimmung bei Bora-hansgrohe erreicht. Im Interview mit rad-net stand Profi Lennard Kämna nun Rede und Antwort.

Merkst du einen großen Unterschied zum letzten Jahr bei der Tour im Bezug auf die besondere Zeit mit Corona? Wie ist es im Vergleich zu vergangenem Jahr in der «Blase»?

Lennard Kämna: Ja es ist ganz deutlich ein Unterschied zum letzten Jahr zu spüren. Durch die Blase haben wir kaum Kontakt zur Außenwelt. Sonst konnte man an der Hotelbar mal einen Kaffee trinken, das fällt dieses Jahr alles aus. Auch die Zuschauer bekommen das zu spüren. Wir dürfen keine Selfies machen, alles ist auf Abstand. Die Maske ist allgegenwärtig, besonders bei der Teamvorstellung. Aber auch sonst: es sind deutlich weniger Menschen am Streckenrand zu sehen.

Wenn du die Pässe hoch- und durch ein Spalier von Fans fährst, denkt man dann an eine Corona-Gefahr oder blendet man das in dem Moment komplett aus?

Kämna: Es wäre gelogen zu sagen, dass man die Gefahr komplett ausblenden kann. Es werden besonders an den Pässen die Mindestabstände nicht eingehalten. Aber 80 bis 90 Prozent der Leute tragen immerhin eine Maske, das ist schon ein Vorteil gegenüber der Dauphiné-Rundfahrt. Trotzdem hofft man, wenn man da hochfährt, dass die Leute einem nicht zu nah kommen und anschreien. Ich hatte besonders in den ersten Tagen Zeit viel nachzudenken, als ich abgehängt wurde und natürlich denkt man da auch über Corona nach.

Bist du vor einem Corona-Test aufgeregt? Immerhin bedeutet ein positiver Test das Tour-Aus - oder gewöhnt man sich an die «Gefahr»?

Kämna: Vor dem ersten Test vor dem Start der Tour war ich aufgeregt. Wir wurden ja direkt am Flughafen getestet und da kamen alle gerade von zu Hause an, wo natürlich viele verschiedene Kontaktpersonen leben. Heute am ersten Ruhetag war ich nicht wirklich aufgeregt. Ein anderes Team hatte schon heute Morgen seine Ergebnisse und da waren alle negativ. Ich wüsste nicht, wo ich mich hier angesteckt haben soll. Insgesamt nehmen die Organisatoren den Test hier aber auch sehr ernst. Der Stab wird einem bestimmt 10 cm in die Nase gesteckt und dann ordentlich rumgewirbelt, das ist also nicht nur zur Show.

Der Transfer zum Ruhetag erfolgte im Bus. Siehst du da Vor- oder Nachteile im Vergleich zum Fliegen?

Kämna: Also ich konnte eigentlich nur Vorteile sehen. Die Anreise war viel entspannter im Bus. Im letzten Jahr mussten wir mit dem Bus erstmal drei Stunden zum Flughafen fahren und am Flughafen und im Flugzeug läuft ja auch nicht immer alles rund. Jetzt konnten wir nach dem Rennen direkt in den Bus und losfahren. Der Koch hatte Essen gemacht, sodass die Fahrt deutlich entspannter war. Dadurch, dass fast nur Fahrer im Bus waren, hatte jeder von uns auch echt viel Platz.

Du hast ja am 9. September Geburtstag, wie sieht dieser aus wenn die 11. Etappe auf dem Plan steht? Feiert man wenigstens ein bisschen?

Kämna: Wahrscheinlich stoßen wir abends kurz an und essen bestimmt auch ein Stückchen Kuchen. Aber es wird keine große Party oder sowas geben. Da hätte ich auch, ehrlich gesagt, keine Lust drauf.

Wie sieht denn dein Tagesablauf an so einem klassischen Tourtag aus?

Kämna: Das ist bei uns eigentlich sehr individuell. Mein Zimmerkollege und ich stehen immer so zwischen 8:30 und 8:45 Uhr auf, machen uns kurz frisch und gehen dann gegen 9 Uhr zum Frühstück. Das dauert dann ungefähr eine Stunde. Danach gehen wir zurück ins Zimmer, Tasche packen und dann schon zum Bus. Je nachdem wie lange der Transfer dauert hat man dann noch Zeit ein bisschen Serien zu gucken oder am Handy zu daddeln. Nach der Ankunft folgt dann das Briefing und danach wird es stressig. Dann rennt nochmal jeder auf die Toilette, muss sich eincremen und seine Snacks zusammensuchen und dann geht es schon zur Teamvorstellung und anschließend zum Start. Nach dem Rennen ist es dann wieder entspannter. Da kann man erstmal duschen und sein Aftermeal essen. Für mich stand in den letzten Tagen immer auch eine halbe Stunde Wundversorgung an. Danach fährt man dann zurück ins Hotel, geht zur Massage, zum Abendessen und dann eigentlich schon wieder schlafen.

Begleiten Freunde oder Familie von dir die Tour vor Ort? Wenn ja, nimmt man das als Rennfahrer wahr?

Kämna: Meine Eltern waren bei den ersten Bergetappen dabei. Ich habe sie sogar am Streckenrand erkannt, da war ich schon echt stolz drauf. Ich glaube meinen Papa habe ich gesehen, bevor er mich erkannt hat. Da kann man dann auch mal kurz «Moin Vaddern» rufen – das ist schon cool. Ich hab das aber sicherlich nur mitbekommen, weil ich abgehängt war, wenn man vorne im Feld dabei ist, dann nimmt man das nicht so wahr.

Du bist bei der Tour de France leider auch schon dreimal gestürzt. Wie geht's dir aktuell nach den Stürzen?

Kämna: Nach den ersten beiden Stürzen habe ich mich noch okay gefühlt, aber der dritte Sturz hat dann echt Energie geraubt. Mit Prellungen an Hüfte und Rücken, da konnte ich keine Topleistungen mehr abrufen. Die ersten Tage danach ist man dann auch nicht mehr risikobereit. Man fährt irgendwie nicht vernünftig im Feld, bremst hier und da mal. Da kommt dann schon einiges zusammen und die Stürze hinterlassen da schon einen Knacks im Kopf. Gestern lief es dann erstmals wieder besser und ich konnte eine stärkere Leistung zeigen. Das hat dann schon gut getan, auch wenn es keine Topleistung war. Aber ich bin zufrieden.

Welche Berge fährst du lieber, die Alpen oder die Pyrenäen?

Kämna: Die Alpen liegen mir mehr, weil die Anstiege länger sind. Je länger die Anstieg, desto besser für mich. Deshalb freue ich mich auf die Alpen.

Fährst du lieber in Hitze oder Regenwetter?

Kämna: Wahrscheinlich lieber in Regenwetter, solange es nicht zu kalt ist. Ja ganz klar, Regenwetter. Da habe ich einfach mehr drin trainiert als in der Hitze und mein Körper ist da mehr dran gewöhnt. Obwohl ich dieses Jahr auch viel in Hitze trainiert habe, von daher ist das schon besser geworden.

Wie ist die Stimmung im Team nach den Pyrenäen auch in Bezug auf Emanuel Buchmann?

Kämna: Ja, wir waren nach dem Ziel schon enttäuscht, das kann man nicht leugnen. Das hatte sich ja auch vorher schon abgezeichnet durch die Stürze. Die Mannschaft hat aber einen guten Spirit und wir haben alle Bock auf die nächsten beiden Wochen. Wir lassen die Köpfe jetzt definitiv nicht hängen, dafür haben wir auch alle viel zu hart trainiert.

Wie viele Betreuer und Fahrzeuge habt ihr insgesamt bei Bora-hansgrohe bei der Tour de France im Einsatz?

Kämna: Ich meine, wir haben insgesamt mit Fahrern und Betreuern 25 Leute hier. Ich glaube es ist auch auf diese Anzahl begrenzt. An Fahrzeugen haben wir drei PKW, einen größeren Kastenwagen, dazu einen Kitchen-Truck, einen Bus und den Truck für die Mechaniker – das sind glaube ich vier oder fünf Autos noch dazu.

Daniel Oss ist Musiker, er spielt Bass. Spielst du auch ein Instrument?

Kämna: Nein ich spiele kein Instrument. (lacht)

Wie entspannst du dich nach den Etappen und versuchst abzuschalten?

Kämna: Nach den Etappen entspannen wir eigentlich mit ein bisschen Serie gucken, quatschen, labern viel blödes Zeug und wenig seriöses.

Was für ein FTP (maximale Watt für 20 Minuten) hattest du als Junioren-Fahrer, und was für einen hast du jetzt?

Kämna: Als Junior hatte ich weder Leistungsmesser noch Herzfrequenzmesser, deshalb kann ich da keine Auskunft zu geben und es nicht vergleichen.

Was willst du auf jeden Fall noch alles gewinnen, und kannst du dir vorstellen mal eine große Rundfahrt wie die Tour oder den Giro zu gewinnen?

Kämna: Die Tour oder den Giro gewinnen, ob ich mir das vorstellen könnte? Schwierig. Also es wäre auf jeden Fall mal cool, zu probieren aufs Gesamtklassement zu fahren, aber zu gewinnen ist auf jeden Fall eine ziemlich krasse Sache. Da denke ich im Moment nicht dran und will erstmal schauen, wie es die nächsten Jahre so läuft.

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