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Bitter: Für John Degenkolb ist bereits nach der ersten Tour-Etappe Schluss. Foto: Ann Braeckman/BELGA/dpa
29.08.2020 20:50
Buchmann nach Sturzfestival erleichtert - Degenkolb raus

Nizza (dpa) - Emanuel Buchmann war sichtlich erleichtert, als er nach einem hektischen Auftakt der 107. Tour de France ohne Schrammen die Ziellinie an der berühmten Promenade des Anglais in Nizza erreicht hatte.

Für Klassikerspezialist John Degenkolb ist dagegen nach einem Crash die Tour schon beendet. Der frühere Paris-Roubaix-Sieger blieb außerhalb des Zeitlimits und war damit der große Pechvogel beim Sturzfestival auf der verregneten ersten Etappe der Frankreich-Rundfahrt, die begleitet von großen Corona-Sorgen am Samstag die ungewisse Reise in Richtung Paris aufgenommen hat.

Deutschlands Tour-Hoffnung Buchmann erreichte dagegen unbeschadet nach 156 Kilometern das Ziel, was schon ein kleines Kunststück war. «Das war keine einfache Aufgabe. Es war super gefährlich, super rutschig. Das Team hat einen guten Job gemacht. Ich bin sicher ins Ziel gekommen, das ist wichtig», sagte Buchmann.

Immer wieder gingen Fahrer zu Boden. Wenige Kilometer vor dem Ziel erwischte es Mitfavorit Thibaut Pinot, der mit zerfetztem Trikot ins Ziel trudelte. Auch Frankreichs zweiter Liebling Julian Alaphilippe blieb nicht verschont. Um den Sieg sprintete indes eine kleinere Gruppe, aus der sich der Norweger Alexander Kristoff vor dem dänischen Weltmeister Mads Pedersen und dem Niederländer Cees Bol vom deutschen Sunweb-Team durchsetzte. Buchmanns Teamkollege und Ex-Weltmeister Peter Sagan wurde Fünfter.

Die zwölf deutschen Fahrer spielten auf der ersten Etappe keine große Rolle, sie blieben von den vielen Stürzen aber nicht verschont. Degenkolb verpasste dabei das Zeitlimit um einige Minuten. Lotto-Soudal-Teamsprecher Philippe Maertens bestätigte auf dpa-Anfrage das Tour-Aus. Neben Degenkolb kamen auch André Greipel und Nils Politt auf der ersten Etappe zu Fall. Beide haben die Stürze aber ohne gravierende Verletzungen überstanden und können am Sonntag starten. Greipel wurde am Bein mit vier Stichen genäht, Politt klagte über Rückenprobleme.

Maximilian Schachmann, der trotz eines Schlüsselbeinbruchs die Tort(o)ur auf sich genommen hat, kam dagegen ohne weitere Blessur ins Ziel. «Ich bin 120 Prozent vorsichtig die Berge runtergefahren. Ich war fast der Langsamste. Es war extrem rutschig. Ich habe viele gestürzte Fahrer gesehen», sagte der gebürtige Berliner. Die Strecke war dermaßen rutschig, dass Routinier Tony Martin zwischendurch an die Spitze fuhr und das Feld zur Mäßigung aufforderte.

Von einer Tour-Stimmung vergangener Jahre konnte diesmal angesichts der Pandemie keine Rede sein. Zuschauer standen zwar am Straßenrand, aber bei weitem nicht mehr wie einst in Zehner-Reihen oder mehr. Die Region an der Côte d'Azur gehört zur «Roten Zone», wo das Virus besonders stark zirkuliert. In den letzten Tagen waren die Infektionszahlen in die Höhe geschnellt. Am Freitag registrierte das französische Gesundheitsministerium 7379 neue Fälle innerhalb von nur 24 Stunden und sprach von einem «exponentiellen Anstieg».

Entsprechend wurden die Maßnahmen rund um die Tour verschärft. Weitaus weniger als die ursprünglich angedachten 5000 Zuschauer jubelten den Radstars um Vorjahressieger Egan Bernal im direkten Zielbereich zu. Die Topfavoriten hielten sich auf der verregneten Auftaktetappe dabei noch zurück. Einigen ihrer Helfer erging es aber ähnlich wie Pinot. So waren Bernals Helfer Pavel Sivakov und Andrey Amador genauso wie George Bennett aus dem Primoz-Roglic-Team im Sturzpech.

Nicht nur, dass alle Fahrer heil ins Ziel kamen. Es gab auch weitere gute Nachrichten für Buchmann und Co. Ihre Mannschaft verkündete kurz vor dem Start, dass die beiden Hauptsponsoren Bora und hansgrohe ihr Engagement bis 2024 ausdehnen. «Das ist keine einfache Zeit für den Sport, für die Wirtschaft. Umso mehr freuen wir uns über die guten News. Das gibt uns Planungssicherheit», sagte Teamchef Ralph Denk.

Die aktuellen Planungen sehen vor, Buchmann gut durch die ersten Tage zu bringen. Schließlich plagen den gebürtigen Ravensburger noch die Sturzverletzungen aus der Dauphine-Rundfahrt vor zwei Wochen. «Es geht ein ganzes Stück besser. Bei 100 Prozent bin ich nicht, aber ein bisschen optimistischer als in der Vorwoche», sagte Buchmann.

Bevor es am Samstag losging, hatte die Tour-Organisation das Reglement wieder verschärfen müssen. So wird nun doch eine Mannschaft ausgeschlossen, wenn es zwei positive Corona-Fälle im gesamten Team inklusive Umfeld innerhalb von sieben Tagen gibt. Erst am Freitag war die Maßnahme nach einer Entscheidung des Weltverbandes UCI gelockert worden. Demnach wäre ein Team erst bei zwei Positivfällen unter den jeweiligen acht Fahrern ausgeschlossen worden. Das direkte Team-Umfeld umfasst aber rund 20 weitere Personen wie Physiotherapeuten, Busfahrer oder Sportdirektoren.

Laut Tourchef Christian Prudhomme sei die Entscheidung vom interministeriellen Krisenstab getroffen worden. Hintergrund sind die seit Tagen steigenden Neuinfektionen in Frankreich.

So wird das Thema Corona die Tour weiter begleiten. Auch am Sonntag, wenn es mit Start und Ziel in Nizza erstmals in die Berge geht. Gleich zwei Anstiege der ersten Kategorie, darunter der 1607 Meter hohe Col de Turini mit durchschnittlich 7,3 Prozent Steigung, sind zu bewältigen.


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