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Die Rad-Profis fahren auf der 16. Etappe der Tour de France 2002 durch die Alpen.
01.07.2003 10:50
Tour de France: Von der Schnapsidee zum Mythos

Paris (dpa) - Zwei konkurrierende französische Verleger, ein junger Sportjournalist und eine kleine Brasserie in Paris: In dieser bescheidenen Kulisse wurde am 20. November 1902 die Idee für das bedeutendste Radrennen der Welt geboren.

Weil der ehemalige Stunden-Weltrekordler Henri Desgranges die Auflage seines Blattes steigern und seinen Rivalen Pierre Giffard ausstechen wollte, bat er seinen Redakteur Géo Lefèvre um Ideen. Der 25-jährige Lefèvre hatte beim Mittagessen in der Taverne Zimmer schließlich einen Einfall.

«Ein bisschen zögerlich und ohne große Überzeugung schlug ich vor: 'Warum nicht eine Tour de France auf dem Fahrrad? Ein paar Etappen, unterbrochen von Ruhetagen.' Desgranges schreckte auf und fragte mich, ob ich verrückt geworden sei», schilderte Lefèvre die Szene in seinen Memoiren. Doch der Chef ließ sich überzeugen, stellte sich gleich vor, wie Rivale Giffard «grün vor Eifersucht» werden würde und verkündete am 19. Januar 1903 in seiner Zeitung «L'Auto» die Austragung einer Frankreich-Rundfahrt: «Die größte Rad-Prüfung der Welt, ein einmonatiges Rennen, 20 000 Francs Preisgeld.»

Am 1. Juli 1903 starteten 60 Radsportler um 15.00 Uhr zur ersten Etappe, die wegen einer fehlenden Genehmigung für Paris in Montgeron vor den Toren der Hauptstadt begann. Dort ist am 6. Juli auch Start zur ersten Etappe der diesjährigen Jubiläums-Rundfahrt. Nach 467 Kilometern und 17 Stunden, 45 Minuten und 13 Sekunden fuhr Maurice Garin vor hundert Jahren in Lyon als Erster über den Zielstrich - und verschwand danach sofort im Badehaus der Stadt.

Die weiteren Etappenziele hießen Marseille, Toulouse, Bordeaux, Nantes und schließlich am 19. Juli wieder Paris. Alle diese Städte passiert auch die diesjährige Geburtstags-Tour. Im Prinzenpark ging Garin nach 2425 Kilometern und drei Etappensiegen mit fast drei Stunden Vorsprung auf seinen Landsmann Lucien Pothier als erster Gesamtsieger in die Tour-Historie ein. Der 32 Jahre alte Garin wurde dafür mit exakt 6075 Francs - Lance Armstrong winken im Erfolgsfall in Paris am 27. Juli rund 400 000 Euro - entlohnt. Außer ihm hatten noch 20 weitere Fahrer durchgehalten.

1904 gab es die ersten Negativ-Schlagzeilen, weil sich Zuschauer prügelten und einige Fahrer, darunter der erneut erfolgreiche Garin, die riesigen Strapazen durch zwischenzeitliche Benutzung der Eisenbahn linderten. Der Schwindel flog auf, doch erst im November wurde Henri Cornet zum Sieger erklärt. Zu wünschen übrig ließ auch noch die Gunst der Fans. 1905 fanden die Zielankünfte außerhalb der Städte statt, einige Zuschauer warfen Nägel auf die Strecke.

Aufhalten konnte das den Erfolg der Tour jedoch ebenso wenig wie zwei Weltkriege. Die Zahl der Teilnehmer und Etappen wuchs beständig, die ersten ausländischen Sieger aus Luxemburg und Belgien sorgten für Interesse auch außerhalb Frankreichs. Aus Deutschland waren bereits bei der Premiere Ludwig Barthelmann und Joseph Fischer dabei, der Sieger des ersten Rennens Paris-Roubaix 1896. Insgesamt 325 deutsche Teilnehmer nahmen bisher die «Tour der Leiden» in Angriff, deren Pioniere sich ohne Gangschaltung über Schotterpisten quälten, Nächte auf dem Rad verbrachten und damit frühzeitig begannen, der Tour ihren Mythos zu geben.

«Für viele wird das Jubiläum etwas ganz Besonderes sein, für mich ist es eine Tour mit den üblichen Gefahren», sagt Lance Armstrong, der in diesem Jahr als zweiter Fahrer nach dem Spanier Miguel Indurain den fünften Gesamtsieg nacheinander schaffen kann. Die Todesfälle haben der Tour traurigen Ruhm verschafft: 1967 starb der Engländer Tom Simpson am Mont Ventoux nach dem Missbrauch von Amphetaminen und Alkohol, 1995 stürzte der italienische Olympiasieger Fabio Casartelli bei einer Pyrenäen-Abfahrt tödlich. 1910 beschimpfte der französische Sieger Octave Lapize die Organisatoren wegen der unmenschlichen Schinderei: «Ihr seid Mörder!» Lapize fuhr trotzdem weiter.


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