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Der Toursieg war Cadel Evans im Vorhinein wohl nicht zuzutrauen gewesen.
24.07.2011 20:09
Der «traurige Clown» darf lachen: Evans am Ziel

Paris (dpa) - Der «Clown mit dem traurigen Gesicht» lacht wieder. Mit seinem Tour-de-France-Sieg 2011 hat Cadel Evans nicht nur das vom Fachblatt «L'Équipe» geprägte Bild ausradiert, sondern auch andere noch weit weniger schmeichelhafte Spitznamen.

Pechvogel, Zauderer und Ewiger Zweiter wurde der Australier genannt, ehe er im Gelben Trikot auf den Pariser Champs Élysées einfuhr und sich endgültig in die Riege der besten Radprofis der Welt einreihte. «Ich bin ein freier Mann» - nie traf sein Credo mehr zu als nach der Triumph-Tour.

Evans ist ein Sonderling im Peloton, der sich als «Individualist» in relativ schwachen Mannschaften gegen Gegner mit viel stärkeren Teams stets ein bisschen mehr ins Zeug legen musste. An Niederlagen hatte sich der am Luganersee wohnende Radstar gewöhnt: Unter den vielen zweiten Plätzen ragen die Jahre 2007 und 2008 hervor, als er bei der Tour - 2008 gegen den Spanier Carlos Sastre sogar als großer Favorit - in den entscheidenden Zeitfahren gescheitert war.

«Ich habe viel Kritik kassiert in den vergangenen Jahren», sagte Evans, der wegen seiner zurückhaltenden und zu vorsichtigen Art schon als «Hinterradlutscher» verspottet worden war. Bei seinem Coup von Grenoble attackierte er die Brüder Schleck und bewahrte - wie in den Alpen - zugleich die Nerven. «Diese Situation war ja nicht neu für mich», erklärte er. Bei der zweiten Tour mit dem US-Team BMC blieb er auf der Straße cool - im Gegensatz zur offiziellen Pressekonferenz nach seinem eindrucksvollen Auftritt beim Einzelzeitfahren.

Wie ein aufgeregtes Kind saß der 34-Jährige vor einer Heerschar von Journalisten auf dem Podium und versuchte - zumeist erfolglos - souverän zu wirken. Auf relativ kurze Fragen antwortete er in epischer Länge, andere Analysen beschränkten sich auf wenige Wörter. Zuweilen fielen Evans englische Wörter nicht mehr ein, und er behalf sich mit italienischen oder französischen Ausdrücken.

Auf die Frage, ob er den Tour-Erfolg jemandem widme, versagte ihm seine Piepsstimme. Unter Tränen erinnerte Evans an seinen im Dezember 2010 verstorbenen Trainer Aldo Sassi, den er einmal als «zweite Familie» bezeichnet hatte. 2002 hatte er sich unter Sassis Fittiche begeben. «Er hat mir immer gesagt, dass ich die Tour gewinnen kann», erinnerte Evans. «Heute für ihn hier zu sein...» - dann weinte er.

Sassi hatte aus Evans einen Straßenradprofi geformt, nachdem der schüchterne Australier Erfolge im Mountainbike gefeierte hatte. Den Sport hatte Evans im zarten Alter von zwei Jahren in Nord-Australien entdeckt, wo er in dem Aborigines-Städtchen Katherine aufwuchs. «Wir hatten keinen Fernseher, also dauerte es bis 1991, bis ich zum ersten Mal Bilder der Tour de France gesehen habe», erzählte Evans.

Dass er 20 Jahre später selbst Hauptdarsteller in Frankreich sein wird und als ältester Tour-Sieger der Nachkriegszeit in die Historie eingeht, hatte lange niemand für möglich gehalten. Obwohl talentiert und fleißig, galt er als Bruchpilot. 2004 strich sein Team Telekom ihn aus dem Tour-Kader, weil er nach Ansicht der Mannschaftsleitung wegen seines Fahrstils eine Gefahr für die Teamkollegen sei. Im Jahr zuvor hatte er sich bei Stürzen dreimal das Schlüsselbein gebrochen.

Heute wirkt Evans selbstbewusster. Ausgerechnet eine Frage nach Doping und ob er Galionsfigur eines sauberen Sports sei, wiegelte er dann aber entschieden und zur Überraschung der Reporter ab. «Ich bin der falsche, darüber zu reden», meinte Evans, der bei Dopingtests noch nie aufgefallen war. Stutzig macht lediglich seine Entourage: Teammanager Jim Ochowicz war enger Vertrauter von Lance Armstrong, Rennstallchef John Lelangue und Geldgeber Andy Rihs führten 2006 Regie im Phonak-Team von Floyd Landis - dem einzigen Radprofi, dem bislang der Tour-Sieg wegen Dopings aberkannt wurde.


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