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Alberto Contador wurde bei der Teampräsentation von den Zuschauern ausgepfiffen.
01.07.2011 14:07
Contador: «Nicht verdient» - Zeitfahren Wahrsager

Herbiers (dpa) - Schon vor dem Start der 98. Tour de France steht Alberto Contador mit dem Rücken zur Wand. «Das habe ich nicht verdient», beschwerte sich der sichtlich mitgenommene Topfavorit über die Pfiffe tausender Zuschauer bei der Teampräsentation in einer nachempfundenen Gladiatoren-Arena.

Die Konkurrenz ist gespannt auf die Reaktion des tief getroffenen Spaniers. «Mal sehen, wie er damit umgeht. Olli Kahn kam immer gut damit zurecht, der Buhmann zu sein», sagte Linus Gerdemann einen Tag vor dem Beginn des großen Sommertheaters. Mit dem Mannschaftszeitfahren gibt es schon am Sonntag den ersten Wahrsager.

Dem vor einem Doping-Prozess stehenden Contador ist neben seinem Status als Topfavorit die Rolle des bösen Buben sicher. Die deutsche Hoffnung Tony Martin stand Contador nach dem schmerzenden Empfang in gewisser Weise zur Seite: «Ausbuhen finde ich verachtenswert. Wir betreiben hier Sport, da gehört so etwas nicht hin», betonte der HTC-Highroad-Fahrer. «Das war nicht nett», meinte der große Contador-Herausforderer Andy Schleck.

Auf Schlecks «Begleitschutz» Gerdemann kommt schon am zweiten Tourtag eine schwere Aufgabe zu. Beim Teamzeitfahren über 23 Kilometer in Les Essarts fährt er mit um den Tagessieg. Zusammen mit RadioShack, HTC-Highroad, Garmin und Sky zählt die neue Luxemburger Mannschaft zu den Sieg-Aspiranten. «Technisch nicht schwierig, aber schnell. Das wird sauschwer», twitterte der sonst eher schweigsame Klöden, einer von vier Kapitänen im RadioShack-Team, um das Strecken-Profil zu beschreiben.

«Das wird sehr stressig», meinte Gerdemanns Team-Kollege Jens Voigt, der als deutscher Rekordhalter in Sachen Tour-Treue vor seinem 14. Auftritt in Frankreich steht. Im nächsten Jahr soll endlich Schluss sein. «Man muss ehrlich zu sich selbst sein. Im nächsten Jahr bin ich mit 40 zu alt», sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Auch Tony Martin spekuliert auf einen Teamerfolg und vielleicht sogar das Gelbe Trikot. Zumindest mit leuchtend gelbem Haarschopf trat der Belgier Philippe Gilbert auf. Der Dreifach-Sieger der Ardennen-Klassiker will sich am Samstag das jungfräuliche Maillot Jaune überstreifen, wenn die Auftaktetappe auf dem Mont des Alouttes mit einem kurzen, aber kernigen Anstieg endet.

Der von Teilen des Publikums, Presse und Fahrerkollegen geschmähte Titelverteidiger Contador fühlte sich bereits vor dem Start am Samstag auf der Passage du Gois am Atlantik wie «in der Löwengrube». So titelte das Tour-Zentralorgan «L'Équipe» am Freitag, nachdem der Saxo-Bank-Kapitän einen anstrengenden Spießrutenlauf beendet hatte. Erst setzten ihm Journalisten in einer Pressekonferenz beim Thema Doping zu, dann folgte die nächste Ohrfeige auf dem «Hügel des Verrückten», wie der Freizeitpark Puy du Fou übersetzt heißt, in dem sich die 22 Tour-Mannschaften vorgestellt hatten. Auch die Abendnachrichten im französischen TV widmeten der Contador-Abstrafung einen Kurzbericht.

«Die Situation ist nicht optimal - das ist kein Geheimnis», kommentierte Voigt die Causa Contador. Der umstritten Madrilene läuft bei einer Verurteilung durch den Sportgerichtshof CAS am 3. August Gefahr, neben einer Sperre auch seine gesamten Erfolge seit Juli 2010 zu verlieren - also auch den möglichen vierten Tour-Triumph in diesem Jahr. «Eine solche Entscheidung wäre lächerlich», ließ Contador schon mal wissen.

Die Dauer der Urteilsfindung - Contadors positiver Befund auf das Kälbermastmittel Clenbuterol datiert vom 21. Juli 2010 - nannte Voigt «unerträglich» und versuchte, sich in die Herzen der buhenden Radsport-Fans zu denken: «Die Franzosen lieben ihre Tour und fühlen ihr nationales Monument durch die Affäre Contador beschädigt.» Gerdemann plädierte für eine Reform der sportjuristischen Vorgehensweise - nur noch eine Instanz sollte zuständig sein.

Voigt könnte sich auch ohne Tour 2012 eine Fortsetzung seiner Radsport-Karriere vorstellen - vielleicht im Management seines neuen Leopard-Teams. «Es wäre doch vielleicht der logischste Weg, meine über Jahrzehnte unter Blut und Schweiß erworbene Erfahrung weiterzugeben», sagte der älteste aller Tourstarter voller Pathos.


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