Köln (rad-net) - Alphonse Steines, ein junger Mitarbeiter der veranstaltenden Sportzeitung „L‘Auto“ hatte sieben Jahre nach der Gründung der Tour de France die Idee, dass die Fahrer 1910 auch die gefürchteten Berge der Pyrenäen überqueren sollen. Wie er Henry Desgrange, den Tour-Chef davon überzeugte, nachdem er die gefürchteten Pässe im Frühjahr selbst und teilweise zu Fuß erkundet hat, ist Tour-Geschichte. Darüber – und dass Octave Lapize beide Pyrenäen-Etappen und die Tour 1910 gewann – wird seitdem in zahllosen Büchern und Magazinen ausführlich berichtet.
Längst vergessen ist allerdings, dass 1910 nicht Lapize, sondern ein unbekannter Einzelfahrer als erster „König der Pyrenäen“ gefeiert wurde, und kaum erwähnt wird in den meisten historischen Berichten auch die Tatsache, dass es dem späteren Tour-Sieger Octave Lapize mit seinen beiden Siegen auf den schweren Bergetappen nicht gelang, seinen Erzrivalen Francois Faber (Luxemburg) die Gesamtführung abzunehmen. Das schaffte er erst eine Woche später auf einer Flachetappe, denn auch bei der achten Austragung der Frankreich-Rundfahrt wurde der Gesamtsieger noch nicht nach der gefahrenen Gesamt-Zeit ermittelt, sondern noch immer nach einer Punktwertung, die man bereits 1903 bei der ersten Tour eingeführt hatte. Danach erhielt der Sieger einer Etappe einen Punkt, der Zweite zwei Punkte, der Dritte drei Punkte usw. Gesamtsieger war in Paris am Ende der Fahrer mit der geringsten Punktzahl.
Dass die Tour de France 1910 erstmals über die Berge der Pyrenäen führen sollte, war eine echte Sensation, die in ganz Frankreich heftige Diskussionen auslöste. Tourchef Henry Desgrange durfte sich zufrieden die Hände reiben: Die Popularität seiner Tour erreichte 1910 bereits vor dem ersten Startschuss einen neuen ungeahnten Höhepunkt. Die Auflage der veranstaltenden Sportzeitung „L‘Auto“ verdoppelte sich, als man wenige Tage vor der Tour die Liste der gemeldeten Teilnehmer und die vorgesehenen Etappen bekannt gab. Während im Vorjahr noch insgesamt 196 Fahrer starteten, darunter zwölf namhafte Firmenteams, machte sich 1910 ein „Pyrenäen-Schock“ gewaltig bemerkbar: Nur 136 unerschrockene Cracks gaben ihre Meldung ab, darunter nur noch drei Firmenteams. Den größten Respekt vor den Pyrenäen hatten offensichtlich die Italiener, die 1909 noch mit fünf Firmenteams mitmischten, ein Jahr später aber nur noch mit sieben Fahrern und einem einzigen Firmenteam (Legnano) antraten. Tourchef Henry Desgrange war am 3. Juli ordentlich verärgert, als von den gemeldeten 136 Fahrern nur 110 an den Start gingen. Von diesen wackeren Kämpfern saßen nach den ersten acht Etappen – noch vor den beiden Pyrenäen-Etappen – nur noch 63 im Sattel.
Mehr zur Geschichte der Pyrenäen-Etappen der Tour und einen der berühmtesten Sätze der Tour-Geschichte „Ihr seid alle Mörder, ja Mörder seid ihr“, lesen Sie im aktuellen
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