Freiburg (dpa) - Die Doping-Praktiken an der Freiburger Universitätsklinik hatten offenbar ein bisher unbekanntes Ausmaß. Nach Angaben des Kronzeugen Patrik Sinkewitz soll im vergangenen Jahr bei der Behandlung von Radprofis des T-Mobile-Teams verklumptes Blut aufgetaucht sein.
«Herr Sinkewitz sagte, nach der ersten Etappe der Tour de France 2006 habe der beschuldigte Arzt Dr. Schmid davon abgesehen, Blut zu infundieren, weil dieses Blut schadhaft oder verunreinigt gewesen sei», sagte der Freiburger Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier der Deutschen Presse-Agentur dpa. Unsachgemäße Blut-Transfusionen können tödlich enden.
Sinkewitz sei nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr drei bis vier Mal an der Uniklinik Freiburg gewesen, «um dort Blut abzugeben und zuvor abgegebenes Blut aufgefrischt wieder infundiert zu bekommen», sagte Maier. Es werde weiter geprüft, ob die beiden ehemaligen T-Mobile-Teamärzte und Uni-Mediziner Lothar Heinrich und Andreas Schmid den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen. Ihnen droht eine mögliche Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. «Das ist höchstgefährlich. Da kann nicht irgendein Sportmediziner daherkommen und in solcher Weise dilettantisch mit Blut umgehen», sagte der Heidelberger Doping-Experte Werner Franke in Hamburg.
Diese «beinahe tödliche» Form des Eigenblut-Dopings müsse aufgeklärt werden, forderte der Molekularbiologe: «Das halte ich für das Abenteuerlichste. Jetzt kann ich als Wissenschaftler nicht mehr die Schnauze halten. Da sagt der Sinkewitz, der Heinrich hat abgebrochen, weil er sagt, das Blut ist schon zu viel geklumpt.»
Nach einem Bericht der «Badischen Zeitung» soll schon lange vor der Großrazzia des Bundeskriminalamtes (BKA) in der sportmedizinischen Abteilung der Uni-Klinik belastendes Material über Doping-Aktivitäten verschwunden sein. Darüber berichtete die Zeitung zwei Tage nach der Durchsuchung der Diensträume von Heinrich und Schmid, die von T-Mobile und der Uni-Klinik suspendiert wurden.
Schon am Tag nach der Veröffentlichung des Nachrichtenmagazins «Spiegel» mit den Aussagen des ehemaligen Team-Betreuers Jef D'Hont am 30. April «waren in den Büros von Heinrich und Schmid erhebliche Aktivitäten zu verzeichnen. Mehrere Männer schafften Koffer aus den Zimmern heraus». Nach Informationen der Zeitung besteht «zudem der dringende Verdacht», dass selbst in den vergangenen Wochen noch belastendes Material über Doping-Aktivitäten im Radsport beiseite geschafft wurde.
Das Fahrzeug eines hoch belasteten Mediziners, der offenbar noch Zugang zur Klinik hatte, wurde «zu sehr ungewöhnlichen Zeiten, zumeist tief in der Nacht und an Wochenenden auf dem Parkplatz der Sportmedizin beobachtet». Es gebe derzeit keine Belege dafür, dass die beschuldigten Ärzte Beweismaterial zur Seite geschafft hätten, «sie haben aber die Möglichkeit dazu gehabt», hatte Maier erklärt.