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Der Doping-Verdächtigte Jan Ullrich bei der Erklärung seines Rücktritts. Foto: dpa
04.04.2007 10:52
Staatsanwalt weist Manipulations-Vorwürfe im Fall Ullrich zurück

Berlin (dpa) - Jan Ullrich schweigt eisern - die internationale Presse aber fällte einen Tag nach dem positiven DNA-Abgleich des 33- jährigen Ex-Profis mit den Blutbeuteln aus der Madrider Klinik des mutmaßlichen Doping-Arztes Eufemiano Fuentes ein eindeutiges Urteil: Der italienische «Corriere della Sera» stellte am Mittwoch fest: «Ullrichs letzter Bluff aufgeflogen». Der «Tagesanzeiger» in Zürich riet dem tief gefallenen Toursieger von 1997: «Statt einen Meineid zu riskieren, müsste er auspacken».

Die Staatsanwaltschaft in Bonn wies Manipulations-Vorwürfe der Ullrich-Anwälte entschieden zurück. Zugleich wollte sie sich nicht auf einen Termin einer möglichen Anklage gegen den ehemaligen Kapitän des T-Mobile-Teams festlegen. Der ermittelnde Staatsanwalt Friedrich Apostel sagte, er habe «die große Hoffnung», das Verfahren vor Ende des Jahres abzuschließen. Aber es gebe vergleichbare Fälle, die dauerten zwei Jahre. «Es gibt keine Anhaltspunkte für Manipulation», sagte Apostel.

Doping-Experte Werner Franke zeigte sich von Ullrichs Schuld überzeugt: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand viereinhalb Liter Blut in Konserven anlegen lässt aus Jux und Tollerei.» Einer der Ullrich-Anwälte, Peter-Michael Diestel, sieht keinen Doping- Beweis. Im Fernsehsender N24 sagte er: «Vorausgesetzt, dass alles das stimmt, was jetzt ermittelt wurde, heißt das doch noch lange nicht Doping. Von mir kursiert auch Blut. Ich habe einen Arzt in Rostock, ich habe einen Arzt in Berlin, ich habe einen Arzt in wer weiß wo. Das heißt doch noch lange nicht, dass mit dem Blut manipuliert wurde, dass es für Dopingzwecke weiter verwendet wurde».

Ob ein mögliches Geständnis Ullrichs einen jetzt wahrscheinlicher gewordenen Strafprozess verhindern könnte, wollte Apostel nicht sagen: «Das würden wir mit den Anwälten regeln.» Es hätten vor dem Bekanntwerden der Identität der Blutbeutel mit den Code-Namen «Jan», «Nummer 1» und «Rudis Sohn» Gespräche mit den Ullrich-Vertretern «zur Erledigung des Verfahrens» gegeben. Ob es dabei auch konkrete Angebote gab, gegen Zahlung einer Summe die Ermittlungen einzustellen, bestätigte der Staatsanwalt nicht.

Nach den neuesten Erkenntnissen liegt der Verdacht nahe, dass die von den spanischen Behörden den anderen verdächtigten Fahrern zugerechneten Codenamen ebenfalls stimmen. «Das legt der normale Menschenverstand nahe», sagte Apostel. Neue Sportgerichts-Verfahren könnten unter anderen auch Ivan Basso (Italien) und dem Ansbacher Jörg Jaksche blühen. Insgesamt wurden über 50 Radprofis verdächtigt, mit dem umstrittenen Mediziner illegal zusammengearbeitet zu haben. Bernhard Welten vom Schweizer Radsport-Verband bekräftigte seine Bemühungen um die Einleitung eines Sportgerichts-Prozesses gegen den Wahl-Schweizer Ullrich: «Natürlich machen wir trotz seines Rücktritts weiter. Ihm droht eine lebenslange Sperre für alle Tätigkeiten im Radsport unter UCI-Regie.»

In einer ersten Reaktion erneuerte Weltverbands-Präsident Pat McQuaid seine Position, die Landesverbände zu weiteren Ermittlungen anzuregen. Durch die Ergebnisse aus Bonn seien neue Tatsachen geschaffen. «Jetzt ist die UCI dran. Ich bin sicher, da kommt was», sagte Hans-Michael Holczer, der Manager des Gerolsteiner-Team. Die Mannschaft aus der Vulkan-Eifel hatte wie weitere 14 ProTour- Formationen geschlossen der möglichen Verwertung von DNA-Proben ihrer Fahrer zugestimmt. Laut Holczer hätten nur 14 Fahrer aus fünf Teams nicht unterschrieben.

T-Mobile-Kommunikationsleiter Christian Frommert forderte, dass sich auch die anderen verdächtigten Fahrer einem DNA-Abgleich unterziehen müssten: «Der Fall Ullrich zeigt, dass DNA-Vergleiche richtig und notwendig sind».

Die Anzeige gegen Ullrich in Bonn wegen Betrugs zum Nachteil seines Arbeitgebers hatten nicht die Mobilfunker, sondern die Rechtsprofessorin Britta Bannenberg gestellt. T-Mobile hatte sich mit dem am 21. Juli fristlos entlassenen Ullrich außergerichtlich geeinigt. Für den Rest des Jahres 2006 standen ihm laut Vertrag theoretisch noch geschätzte 1,1 Millionen Euro zu. Aus Ullrich- Kreisen war mehrfach kolportiert worden, der Profi hätte die gesamte Summe erhalten.

Internationale Pressestimmen zur neuen Entwicklung im Fall Ullrich:

Hamburg (dpa) - Der Nachweis, dass Blut von Jan Ullrich bei Eufemiano Fuentes lagerte, obwohl Ullrich stets den Kontakt zu dem mutmaßlichen Dopingarzt geleugnet hat, bescherte dem Ex-Radstar europaweit schlechte Presse. Die dpa dokumentiert die wichtigsten Kommentare.

SPANIEN:

«El Mundo»: «Die Geister der 'Operación Puerto' und der lange Schatten des Arztes Eufemiano Fuentes machen Ullrich noch immer zu schaffen. Nicht einmal die Beendigung der Profi-Karriere konnte die Dopingvorwürfe stoppen.»

«El Periódico»: «Ullrich hatte stets behauptet, sauber zu sein. Der Blutabgleich beweist nun, dass er der wichtigste Kunde des Arztes Eufemiano Fuentes war.»

«Marca»: «Ullrichs Ruf ist ruiniert. Daran ändern auch all die Versuche seiner Anwälte nichts, den Ex-Profi zu verteidigen.»

ITALIEN:

«Corriere della Sera» (Mailand): «Ulrichs letzter Bluff ist aufgedeckt. Aber diesmal wird es hart, wie die Reaktionen der deutschen Medien zeigen.»

«La Repubblica» (Rom): «Der DNA-Test bringt Ulrich in Bedrängnis. Kaum ist er aus der Welt des Radsports ausgeschieden, da fällt das Fallbeil der Justiz auf ihn herab.»

ÖSTERREICH:

«Kurier»: «Entweder leidet Jan Ullrich an Realitätsverweigerung oder er ist das Opfer der größten Intrige in der Sport-Geschichte. Zweiteres ist schwer zu glauben».

«Standard»: «Der Plan des vorarlberger Radteams Volksbank, Jan Ullrich als Berater zu engagieren und sich mit Hilfe des deutschen Ex-Superstars unter den besten Profimannschaften zu etablieren, ist nur noch Makulatur. Ullrich steht nämlich mehr denn je unter dem Verdacht, seiner Karriere mittels Doping nachgeholfen zu haben.«

SCHWEIZ:

«Neue Zürcher Zeitung»: «Gewinnen Britta Bannenberg und die Bonner Staatsanwalt ihren Prozess gegen Ullrich, kann anschließend - seitens der Deutschen Telekom AG - eine Schadenersatzklage in Millionenhöhe auf ihn zurollen. Zumal die Verdachtsmomente in Sachen Doping bis ins Jahr 1997 zurückreichen. Also in jenes Jahr, in dem Ullrich als bisher einziger Deutscher die Tour de France gewinnen konnte.»

«Tages-Anzeiger» (Zürich): «Ullrich muss auspacken. Statt sich in Lügengeschichten zu verstricken und zu riskieren, auch noch wegen Meineids verurteilt zu werden, müsste er (Ullrich) auspacken. Von Doktor Fuentes, seinen Methoden und seinen Kunden. Damit der Radsport seinen Stall wirkungsvoll säubern kann. Die Tour de France kann er damit nicht mehr gewinnen. Die goldene Mistgabel als letzte Ehrung einer zerstörten Karriere wäre ihm aber sicher.»

«Blick» (Zürich): «Blutbeutel im Dopingskandal belegen: Jan Ullrich hat gelogen.»

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