Mailand (dpa) - Der «Falke» ist zurück und Italien jubelt. Mit einem denkwürdigen Kampf auf der vorletzten Etappe des Giro d'Italia hat sich Paolo Savoldelli seinen zweiten Gesamtsieg nach 2002 geschnappt.
Der 32-jährige Profi aus Bergamo, der sich wie kein Zweiter die Abfahrten hinunterstürzt und deshalb in Italien den Spitznamen «Il Falcone» trägt, hat einen langen Leidensweg hinter sich. Umso mehr kann er jetzt den neuen Höhenflug genießen. Für «La Stampa» war es «kein Wunder, dass Savoldelli seine Beute im Gebirge schlägt».
«Ich habe in drei Wochen zwei qualvolle Jahre wettgemacht», sagte Savoldelli im Rückblick auf eine der spannendsten und hochklassigsten Italien-Rundfahrten der letzten Jahre. 2003 und 2004 waren für ihn bei T-Mobile verlorene Jahre. Stürze, Verletzungen und Krankheiten prägten seinen Aufenthalt im Bonner Team, das seinen Weggang in die Lance-Armstrong-Mannschaft mit gemischten Gefühlen sah.
«Er hat in der Zeit vielleicht zehn Rennen für uns bestritten. Alle standen hinter ihm, sein Gehalt wurde weiter überwiesen, obwohl er fast nie fuhr. Als er wieder gesund war, wechselte er trotz unseres Angebots - das hat mich persönlich enttäuscht», sagte T-Mobile-Teamchef Mario Kummer, der einen Savoldelli dieser Güte jetzt gern in seinen Reihen hätte. Bei der Tour wird der eher introvertierte Italiener dem Ullrich-Team an der Seite Armstrongs, der ihn beim Giro besuchte, vielleicht noch einige Rätsel aufgeben.
Savoldelli («Der Giro-Erfolg hat mich zehn Jahre meines Lebens gekostet») stand schon vor seinem Wechsel nach Bonn auf der Einkaufsliste des Rekordsiegers aus Texas. Doch der Terror des 11. September ließ das Budget der US-Postal-Mannschaft schrumpfen und für den Giro-Zweiten von 1999 und Sieger von 2002 war plötzlich kein Geld mehr da. Als es bei T-Mobile nicht lief, hatte der ausgebildete Malermeister sogar mit einem Wechsel in die Politik geliebäugelt. Aber er blieb dem Sport treu und sorgte für den knappsten Giro-Ausgang seit 1974, als Merckx, Baronchelli und Gimondi in Mailand 33 Sekunden auseinander lagen.
Savoldelli setzt die Reihe der vormals erfolgreichen Radprofis fort, für die T-Mobile als Sprungbrett für die zweite Karriere diente. Nachdem Bobby Julich zu Bjarne Riis gewechselt war, erlebte der Amerikaner, Tour-Zweiter 1998, einen höchst bemerkenswerten «zweiten Frühling». Genauso erging es dem Zeitfahr-Weltmeister Santiago Botero aus Kolumbien, der im Mai die Tour de Romandie gewann und für die Tour ein Trumpf-As seines neuen Phonak-Teams sein soll.
Zumindest in zwei von drei Fällen hat Kummer medizinische Erklärungen für den Leistungsschub: «Botero und Savoldelli waren bei uns wegen Verletzungen und Krankheiten nie im Vollbesitz ihrer Kräfte. Deshalb wundere ich mich nicht über ihre jetzigen Leistungen im fitten Zustand. Bei Julich staune ich allerdings schon.»