Verona (dpa) - Fair, ehrlich, unschuldig. Mit diesen Prädikaten bedachte Lance Armstrong 2002 in Pau am Fuß der Pyrenäen den Sportarzt Michele Ferrari, nachdem der Tour-Seriensieger seine langjährige Zusammenarbeit mit dem umstrittenen Mediziner zugeben musste.
Nun verurteilte ein Gericht in Bologna den seit Jahren aktenkundigen Italiener wegen Sportbetrugs zu einem Jahr Haft auf Bewährung und der Zahlung einer Geldstrafe von 900 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte 14 Monate gefordert.
«Mit diesem Urteil habe ich nicht gerechnet, wir gehen in Berufung», sagte Ferrari, der seine Betreuung und Trainings-Analytik immer von der Maxime abhängig machte: «Doping ist nur, wenn man erwischt wird.» Mit Ferrari - zu seinen Patienten gehörte seit über einem Jahrzehnt das «Who is Who» des internationalen Radsports - wurden 15 Mediziner und Apotheker verurteilt.
Die Bestrafung Ferraris könnte ein weiterer Meilenstein in der Doping-Bekämpfung sein, die gerade in diesem Jahr im Radsport auf große Erfolge zurückblicken kann und auch vor großen Namen nicht mehr Halt macht. Große Freude löste die Verurteilung des Mediziners nicht gerade bei Armstrong, aber umso mehr bei Filippo Simeoni aus. Der italienische Radprofi galt als Kronzeuge im Prozess und hatte zugegeben, dass ihm Ferrari das Blutdopingmittel EPO verordnet hatte. Armstrong nannte seinen Kontrahenten daraufhin einen Lügner, was Simeoni mit einer Verleumdungs-Klage konterte.
«Das Urteil beweist, dass es noch Gerechtigkeit gibt, und dass ich die Wahrheit gesagt habe. Auf Armstrong und seine Siege bei der Tour de France ist ein Schatten gefallen», sagte Simeoni einen Tag vor der Straßen-WM in Verona. Er war für Italien aufgeboten worden, obwohl ein Großteil seiner Arbeits-Kollegen wohl eher nichts mit ihm zu tun haben wollen und ihn als «Nestbeschmutzer» abstempeln.
Bei der vergangenen Tour de France hatte Armstrong Simeoni auf der 18. Etappe auf dem Weg nach Lons de Saunier in einer Strafaktion ohne Beispiel aus einer Spitzengruppe ins Feld zurückgeholt und dafür den Applaus vieler Profis erhalten. Olympiasieger Paolo Bettini (Italien) hatte unlängst seine Solidarität mit Simeoni bekundet.
«Ich bin enttäuscht über das Urteil. Ferrari ist ein langjähriger Freund von mir, der mir nie Doping verabreicht oder verbotene Präparate verschrieben hat. Meine Mannschaft und ich warten jetzt auf die Urteilsbegründung des Richters Maurizio Passerini», erklärte der sechsfache Tour-de-France-Sieger Armstrong, der ankündigte, in Zukunft nicht mehr die Dienste Ferraris in Anspruch zu nehmen.