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Jan Ullrich (r) und das restliche T-Mobile-Team warten auf den Startschuss.
08.07.2004 10:32
Ullrich schon mit dem Rücken zur Wand

Arras (dpa) - Champagner wurde trotzdem getrunken. Schließlich feierte Erik Zabel seinen 34. Geburtstag. Ansonsten aber herrschte bei T-Mobile im Golf-Hotel von Arras keine Jubelstimmung.

Nach einem Fünftel der Tour de France stehen Jan Ullrich und seine Mannschaft auf dem beschwerlichen Weg zum angestrebten zweiten Sieg nach 1997 bereits mit dem Rücken zur Wand. 55 Sekunden auf Lance Armstrong vor Beginn der 5. Etappe: Dieser Rückstand war in Ullrichs Marschtabelle nicht eingeplant.

«Mit Winokurow und ohne das Pech der Defekte von Aldag und Guerini hätten wir sicher eine halbe Minute schneller fahren können», sagte ein enttäuschter Jan Ullrich nach dem Team-Zeitfahren, das bei herbstlichen Temperaturen im Hochsommer im Regen versank. Der Olympiasieger konnte sich sogar noch beim Organisator für das neue, höchst umstrittene Reglement bedanken, das ihm einen interessanten Rabatt einräumte. Nach Platz vier hinter der wie aufgezogen fahrenden US-Postal-Equipe Armstrongs bekam T-Mobile nur 40 Sekunden Minus angeschrieben. Der tatsächliche Abstand betrug 1:19 Minuten.

«Man kann schon sagen, dass Armstrong das einzige Opfer der neuen Regel war», meinte T-Mobile-Teamchef Mario Kummer. Ein weiterer Profiteur neben Ullrich war der ehemalige Armstrong-Helfer Tyler Hamilton (USA). Mit seinem durch Stürze und Defekte auf fünf Fahrer dezimierten Phonak-Team fuhr er die zweitbeste Zeit (1:07 zurück) und wurde lediglich mit 20 Sekunden belastet. Obwohl die Tour-Zukunft für T-Mobile mit der alten Wertung noch grauer ausgesehen hätte, zeigte sich Team-Manager Walter Godefroot als fairer Verlierer: «Die neue Regel ist nicht korrekt.»

Allenthalben herrschte großes Staunen über die erneute Gala-Vorstellung des fünffachen Toursiegers aus Texas. Nach dem Prolog und dem Parforceritt durch die «Hölle des Nordens» hatte er der Konkurrenz ein weiteres Mal die Zähne gezeigt. Jetzt hofft T-Mobile auf die Berge und endlich steigende Temperaturen. «Dieser Regen ist nun mal nicht meine Welt», sagte der immer noch leicht erkältete Ullrich, der auf ähnlich rutschigem Untergrund im letzten Tour-Zeitfahren 2003 in Nantes gestürzt war, als er die letzte, kleine Chance gegen Armstrong noch packen wollte.

Zur Strategie der kommenden Tage, vor allem im Gebirge, wollten sich weder Ullrich noch Godefroot oder Kummer konkret äußern. Andreas Klöden (Spitzname: «Wilde Hilde») tat das. «Wir werden Lance in den Bergen attackieren. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren», sagte der Cottbuser, seit neuestem wie Ullrich auch Resident in der Schweiz. «Ich bin optimistisch - noch ist nichts entschieden.» Auch beim geplanten Angriff in den Bergen wird der in der Tour de Suisse schwer gestürzte Alexander Winokurow an allen Ecken und Enden fehlen.

Kummer verwies auf die seit 1999 gültige Binsenweisheit: «Wer die Tour gewinnen will, muss an Armstrong vorbei» und schöpfte Hoffnung aus der jüngsten Vergangenheit: «Im Vorjahr war Lance in den Alpen angreifbar.» Der trumpft derzeit allerdings so souverän auf, dass die vage Hoffnung auf eine Schwäche keine Grundlage hat. Seine Rekordfahrt zum möglichen sechsten Sieg verläuft zur Zeit absolut störungsfrei. Dabei weiß er ein Team hinter sich, das nicht nach dem Prinzip je teurer, desto besser funktioniert.

In Amiens ging Armstrong zum 60. Mal in Gelb an den Start, womit er mit Miguel Indurain gleichzog. «Zwei Monate im Gelben Trikot - unglaublich», freute sich der neue Spitzenreiter, der klar machte, worauf es ihm wirklich ankommt: «Ich will Gelb auf den Champs Elysees tragen. Ich werde meine Mannschaft jetzt nicht opfern, um das Trikot in Nordfrankreich zu verteidigen.»


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