Baden-Baden (dpa) - Ein strahlender Jan Ullrich hat als «Sportler des Jahres» bei der Gala in Baden-Baden die Herzen erobert, aber mit seinem Wahlsieg über Michael Schumacher auch für Diskussionen gesorgt.
«Ich bin tief berührt und überrascht, dass man mich gewählt hat», sagte der Zweite der Tour de France und ballte bei der Ehrung die Faust. In einem ZDF-Interview zollte auch der Rennfahrer dem Radprofi höchstes Lob, doch viele sahen Schumacher vorne. «Es kann doch nicht sein, dass einer, der zum sechsten Mal Formel-1-Weltmeister geworden ist und damit für einen historischen Triumph gesorgt hat, hier nur Zweiter wird», kritisierte Box-Weltmeister Sven Ottke das Votum der Sportjournalisten.
Auf die Frage, wie er es denn finde, mit dem Fahrrad einen Ferrari abgehängt zu haben, meinte Ullrich schmunzelnd: «Ich find's klasse.» Viele hätten sich eben in das hineinversetzen können, was er durchgemacht habe. «Muskelkraft und Leidensfähigkeit triumphieren über Technik und Kaltschnäuzigkeit. Eine Wahl des Herzens», kommentierte das «Badische Tagblatt». Etwas nüchterner sahen es die Veranstalter der Internationalen Sport-Korrespondenz (ISK). Ullrich habe vor allem unter den Medienvertretern in den neuen Bundesländern kräftig Stimmen gesammelt. Der Sieger selbst glaubt, dass «die bewegenden Bilder im Fernsehen» den Ausschlag gegeben haben.
«Die Journalisten haben doch gewusst, dass Schumacher beim Familienfest des Sports einmal mehr durch Abwesenheit glänzen wird und deshalb gleich den Ullrich gewählt», meinte der frühere Weltklasse-Sprinter Heinz Fütterer. So wurde der Kerpener, der derzeit im Familienurlaub in Norwegen weilt, zwar «Europas Sportler des Jahres», muss aber in seiner Heimat weiter auf seinen zweiten Titel nach 1995 warten.
Schumacher zog zumindest aus der Ferne den Hut vor Ullrichs großartigem Comeback: «Nach so einer Talfahrt, wo die eigene Stärke entscheidend ist, wieder zurückzufinden - das muss man würdigen.» Felix Magath, der sich mit dem VfB Stuttgart über den zweiten Platz in der Mannschaftswertung freute, fand es «lobenswert, dass nicht nur das Ergebnisse gesehen wird, sondern auch die Umstände eine Rolle gespielt haben».
Nichts zu deuteln gab es bei den anderen Siegerinnen: Schwimmerin Hannah Stockbauer, die sich vor Eisschnellläuferin Anni Friesinger durchsetzte, und die Fußball-Weltmeisterinnen wurden im Kurhaus ebenso wie Ullrich lautstark gefeiert. Stockbauer erweckte zudem mit ihrem gewagten Outfit die Aufmerksamkeit: Durch ihr schwarzes Kleid schimmerte am ganzen Körper die nackte Haut. «Meine Beine zittern wie die Hölle. Ich denke, das liegt nicht an den hohen Schuhen, sondern an der Aufregung», sagte die dreifache Weltmeisterin von Barcelona.
Die Fußball-Königinnen wurden vom «Kaiser» höchstpersönlich geadelt: Franz Beckenbauer überreichte den Frauen die Trophäe und lief dabei feixend am DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder vorbei, der ebenfalls auf die Bühne geeilt war: «Du kriegst die nicht.» Bei so viel Frauenpower blieb ihm gar nichts anderes übrig, als zu versprechen, dass er sich beim FC Bayern München verstÀ¤rkt um die Zukunft der Damenmannschaft kümmern werde.
WM-Torschützenkönigin und «Weltfußballerin des Jahres» Birgit Prinz wollte sich zwar nicht zu ihrem Angebot vom italienischen Männer-Erstligisten AC Perugia äußern («Heute geht es um die Ehrungen und nicht um die Person Birgit Prinz»), bezog dafür zu Bezeichnungen wie der «weibliche Zinedine Zidane» eindeutig Stellung. «Niemand wird sagen, dass Zinedine Zidane der männliche Birgit Prinz ist», sagte die Frankfurterin, die Rang drei bei der «Sportlerin des Jahres» belegte.