Berlin/Huy (dpa) - Der Start zur Tour de France am 5. Juli in Paris liegt noch in weiter Ferne. Doch spätestens seit Jan Ullrichs sensationellem Solo-Sieg von Köln hat der Olympiasieger die Frankreich-Rundfahrt deutlich im Visier - und die Erwartungen steigen.
«Natürlich kann er bei der Tour vorne mitfahren», ist Bjarne Riis, sein ehemaliger Team-Kollege und Vorgänger als Tour-Sieger, spätestens seit Ostermontag überzeugt. «Ein Rennen zu gewinnen, ist immer schwer. Auch, wenn es nur ein kleineres wie in Köln ist. Jan ist dort sehr gut gefahren, und der Sieg war für seine Moral sehr wichtig. Aber bis zur Tour ist es noch weit», sagte der Däne, der als Teamchef der CSC-Equipe in Charleroi ebenso am Start des 67. Flèche Wallonne in Belgien stand wie Ullrich zwei Tage nach seinem Husarenritt in der Domstadt. Rang 31 unter 192 Startern mit 2:01 Minuten Rückstand auf den Überraschungsieger Igor Astarloa realativierte zwar Ullrichs Kölner Ergebnis, schmälerte aber den Erfolg nicht.
«Wir waren heute sehr zufrieden. Das war auch ein Test, wie sich Jan nach der Anstrengung von Montag erholt. Das macht Hoffnung auf Sonntag. Wenn er bei Lüttich-Bastogne-Lüttich auch unter die ersten 30 fährt, sind wir happy. Das wird ein noch schwereres Rennen als heute - da sind die besten der Welt am Start», sagte sein Betreuer Rudy Pevenage nach dem Flèche Wallonne.
«Ich weiß, dass er bisher sehr gut trainiert hat, viel bei mir zu Hause in der Toskana. Wir konnten uns allerdings nicht sehen, weil ich immer unterwegs war», erzählte Riis, der im Januar im Rennen um die Dienste des 29-jährigen Olympiasiegers dem Essener Coast-Team unterlegen war. Aber der zähe Däne hat noch lange nicht aufgegeben: «Ullrich ist immer ein Thema. Mal sehen, wie es mit Coast finanziell weiter geht. Vielleicht kommen wir im nächsten Jahr zusammen.»
An seinem elften Renntag der Saison 2003 erfolgt für Ullrich der Härtetest im Angesicht der Weltklasse. Vor dem Start zum Flèche Wallonne dämpfte der zweifache Weltmeister im Zeitfahren in Charleroi im Hinblick auf seinen Weltcup-Start bei Lüttich-Bastogne-Lüttich die Erwartungen und stapelte vorsichtshalber ein bisschen tief: «Eine Prognose für Sonntag ist unmöglich. Ich fahre dort in diesem Jahr zu ersten Mal unter Wettkampf-Bedingungen 250 Kilometer. Ich weiß gar nicht, ob ich die Distanz schaffe.» Riis wagt eine Voraussage: «Lance Armstrong ist für Sonntag mein Top-Favorit.»
Ullrichs fast schon asketische Figur verraten enormen Trainings-Fleiß, der bei ihm in den Vorjahren nicht unbedingt an der Tagesordnung war. Laut Coast-Koordinator Wolfram Lindner hat Ullrich seit seinem Trainingsstart im November 2002 bisher rund 12Â 000 km zurückgelegt. «Zu diesem Zeitpunkt war er zuletzt 1997, im Jahr seines Toursieges, so schlank und so stark», urteilte Pevenage, der wegen der Finanz-Querelen bei Coast mit seinem Schützling in den Vorwochen mehrmals vor einem Team-Wechsel stand.
Davon ist im Moment keine Rede mehr. Er fühle sich nach «den letzten harten Monaten wie im siebten Himmel», teilte Ullrich auf seiner Homepage mit: «Dieser Sieg hat mir und Coast unglaublich gut getan».