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Alexander Winokurow beim Zeitfahren der 13. Etappe der Tour über 54 km.
24.07.2007 22:14
Tour de France vor dem Kollaps: Winokurow positiv

Pau (dpa) - Die Tour de France steht vor dem Kollaps: Der zweifache Etappensieger Alexander Winokurow ist des Blutdopings überführt worden. Der Tour-Ausstieg seines Astana-Teams bedeutete auch das Ende der Frankreich-Rundfahrt für seinen deutschen Teamkollegen Andreas Klöden.

Der 33 Jahre alte Kasache Winokurow soll unmittelbar vor seinem souveränen Sieg im Zeitfahren am 21. Juli Bluttransfusionen erhalten haben. Der umstrittene Spitzenreiter Michael Rasmussen verstrickte sich unterdessen in Widersprüche. «Es war keine Frage für uns, die Tour zu stoppen, nur weil einige Russisches Roulette spielen», sagte Tour-Chef Christian Prudhomme nach dem Astana-Eklat.

Bei Erhalt der Nachricht des neuen Doping-Falles brach Radprofi David Millar am zweiten Tour-Ruhetag in Pau in Tränen aus. «Wenn das in unserer jetzigen Situation einem Fahrer dieses Formats passiert, ist der Radsport nicht mehr zu retten», prophezeite der Schotte, der im Vorjahr eine zweijährige Doping-Strafe beendet hatte und sich seitdem als engagierter Antidoping-Kämpfer gibt. Der neue deutsche Radsport-Liebling Linus Gerdemann vom Team T-Mobile war erschüttert: «Das ist natürlich sehr schlimm und ich fühle mich von Winokurow verarscht, aber es zeigt, dass die Kontrollen greifen.»

Mit der Überführung von Winokurow, der von den französischen Zeitungen in den vergangenen Tagen gefeiert wurde, und dem Rückzug seines Teams steht die 94. Tour wenige Tage vor dem Finale in Paris vor einem Scherbenhaufen. Bereits die Entscheidung, den Dänen Rasmussen trotz mehrerer Doping-Vorwürfe im Rennen zu belassen, hatte den 104 Jahre alten Klassiker vor eine Zerreißprobe gestellt. Prudhomme verpasste die Gelegenheit, nach dem Fall Winokurow auch die Causa Rasmussen durch einen Rauswurf zu klären.

Im Astana-Quartier in Pau war das große Kofferpacken angesagt. «Nach Rücksprache mit der Tour haben wir unser Team zurückgezogen. Wir haben Winokurow sofort suspendiert und ihn nach Hause geschickt und werden an den kommenden Rennen erst einmal nicht teilnehmen. Für weitere Schritte warten wir die B-Probe ab. Ich fürchte jetzt um die Zukunft des Teams», sagte Astana-Manager Marc Biver, der Winokurow zitierte, seine Blut-Annomalien hingen mit dessen schwerem Sturz zusammen.

Wie weiter bekannt wurde, haben die Tour-Organisatoren Astana zum sofortigen Ausstieg geraten. «Als wir von der positiven Probe erfahren haben, haben wir uns mit den Tour-Organisatoren zusammengesetzt und die haben uns geraten, das Team zurückzuziehen», bestätigte Biver, der die jüngsten Enthüllungen gleichzeitig als positives Signal sieht: «Vielleicht ist es für den Radsport gut, was heute passiert ist, weil es zeigt, dass es unmöglich ist, die neuen Kontrollen durch Manipulation auszutricksen.»

Am Abend durchsuchte die französische Polizei laut «L'Équipe» das Astana-Mannschaftshotel in Pau. Die Gendarmerie verspricht sich durch die Razzia Hinweise auf Fehlverhalten bei Astana.

Das kasachische Team mit Schweizer Lizenz, das von den führenden Wirtschaftsunternehmen Kasachstans mit jährlich rund 14 Millionen Euro finanziert wird, wurde erst in dieser Saison in den ProTour-Zirkus aufgenommen.

Vor dem Start der Frankreich-Rundfahrt waren bereits die Astana-Fahrer Matthias Kessler wegen Dopings und Eddy Mazzoleni wegen einer zurückliegenden Manipulations-Affäre bei Astana entlassen worden. «Ich bereue die Entscheidung, Astana zugelassen zu haben. Ich bin verraten worden», sagte der Tour-Präsident Patrice Clerc.

Mit einem argumentativen Zickzack-Kurs hatte Rasmussen versucht, sich vom Betrugsverdacht rein zu waschen. Der Träger des Gelben Trikots gab im «Palais Beaumont» von Pau zu, drei Termine von Doping-Kontrollen verpasst zu haben, machte dafür aber zum Teil «Verwaltungsfehler» verantwortlich und zweifelte die Rechtmäßigkeit der erteilten Verwarnungen an. Nach den Regeln des Weltverbandes UCI reichen drei so genannte «Missed Tests» für eine Sperre zwischen drei Monaten und zwei Jahren. Die Doping-Affäre Patrik Sinkewitz wird sich erst zwei Tage nach Ende der Tour klären, wie Verbandspräsident Rudolf Scharping ankündigte.

Der umstrittene Rasmussen, der ein Jahr nach dem Doping-Debakel um Floyd Landis große Chancen auf den Tour-Sieg 2007 hat, gab an, während seines zweijährigen Aufenthalts bei seiner Familie in Mexiko und in diesem Jahr an seinem Wohnort in Monaco «noch nie getestet» worden zu sein.

«Er hat vier Verwarnungen bekommen, zwei von uns, zwei von der UCI, weil er die zuständigen Gremien in vier Fällen nicht über seinen aktuellen Aufenthaltsort informiert hat», sagte Jesper Worre, der Präsident des Dänischen Radsport-Verbandes (DCU), der seinen Fahrer von der Teilnahme an der WM im September in Stuttgart und von den Olympischen Spielen in Peking suspendierte. «Ich kann nicht verstehen, warum sie ihn aus der Tour noch nicht herausgenommen haben», erklärte Worre. Dagegen hatte UCI-Präsident Pat McQuaid erklärt: «Mit allen diesen Spekulationen wäre mir ein anderer Sieger als Rasmussen sicher lieber. Aber er hat keine Regeln gebrochen, deshalb muss man im Zweifel für den Angeklagten sprechen.»

Mit Zitaten aus Briefen und Telefaxen, Angaben über Termine und Paragrafen bauten Rasmussen und seine Berater am Fuß der Pyrenäen eine Nebelwand aus angeblichen Fakten und Regeldeutungen auf. Damit wollten sie den seit Tagen anhaltenden Druck gegen den Verbleib des Dänen in der Tour mit einer eigenen Offensive parieren.

Während Topsprinter Alessandro Petacchi von der Disziplinarkommission des italienischen Radsportverbandes vom Doping-Verdacht freigesprochen wurde, soll die B-Probe zum positiven Test von Patrik Sinkewitz in einer Woche veröffentlicht werden. Das teilte der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), Rudolf Scharping, nach einem Gespräch mit Sinkewitz-Anwalt Michael Lehner mit. Ohne sich auf eine angestrebte Kronzeugen-Regelung festzulegen, ließ der suspendierte T-Mobile-Profi über seinen Anwalt mitteilen, «an einer gemeinsamen Lösung» mit seinem Team und dem BDR interessiert zu sein.


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