Bourg-en-Bresse (dpa) - Erik Zabel konnte sich bei der Tour de France nur einen Tag an seinem Grünen Trikot erfreuen - zu einem wahren Leidensweg wurde die 6. Etappe für die verletzten Andreas Klöden und Alexander Winokurow.
Nach dem Abschnitt von Semur-en- Auxois nach Bourg-en-Bresse, auf dem Tom Boonen nach 199,5 Kilometern seinen ersten diesjährigen Etappensieg feierte, führt jetzt wieder der Ex-Weltmeister aus Belgien die Sprint-Wertung an. «Totz eines Defektes an der Gangschaltung habe ich meine Chance genutzt», freute sich Boonen.
Der Belgier hatte schon bei den ersten beiden Zwischensprints unterwegs Zabel überflügelt. Mit seinen 35 Punkten vom Etappensieg vor dem dreifachen Weltmeister Oscar Freire (Spanien) und Zabel übernahm Boonen wieder das Grüne Trikot vom Milram-Kapitän, der im Gesamtklassement auf Rang neun kletterte. Das Gelbe Trikot verteidigte wahrscheinlich zum letzten Mal bevor es am Samstag in die Alpen geht der Schweizer Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara. Klöden und Winokurow hielten mit Schmerzen und ohne Zeitverlust durch.
Mittags hatten die beiden Astana-Kapitäne nach ihren Stürzen vom Vortag dick verpflastert und bandagiert ihren Leidensweg angetreten. Klöden, der einen Haarriss im Steißbein erlitt, musste sich unterwegs vom Tour-Arzt versorgen lassen. Im Ziel behauptete er aber mit 33 Sekunden Rückstand seinen zweiten Rang hinter Cancellara. Winokurow hatte beide Knie und den Ellenbogen dick verbunden. Tiefe Fleischwunden waren in der Nacht mit mehreren Stichen genäht worden. «Wenn sie die Alpen überstehen, ist alles drin. Aber nach einem Toursieg sieht es wohl nicht mehr aus», hatte Team-Manager Marc Biver vor dem Start erklärt.
In die triste Stimmung um das Team-Lazarett platzte die Nachricht der positiven B-Probe von Matthias Kessler. Die Mannschaftsführung unter Biver reagierte mit der Entlassung des Nürnbergers, dem zwei Jahre Sperre durch den Schweizer Verband drohen. Klöden und Winokurow hielten sich immer am Ende des Feldes auf, ihre Team-Kollegen bildeten einen schützenden Kokon um sie. «Ich weiß mit Schmerzen umzugehen», hatte sich Winokurow, der unbedingt zum ersten Mal die Tour gewinnen will, selbst Mut gemacht. «Die Schmerzen entscheiden, wie weit sie kommen», erklärte Biver.
Bahn-Olympiasieger Bradley Wiggins, der so gerne den Prolog in London gewonnen hätte, hatte schon kurz nach dem Start attackiert. Der Vorsprung des Briten war zwischenzeitlich bei zum ersten Mal hochsommerlichen Temperaturen auf 18 Minuten angestiegen. Aber je näher das Finale rückte, desto mehr schmolz sein Vorsprung. 7500 Meter vor dem Ziel war das Feld wieder komplett, Wiggins am Ende seiner Kräfte. «Es wäre eine große Ehre für mich, wenn ich morgen am französischen Nationalfeiertag im Ziel noch das Gelbe Trikot hätte», sagte Cancellara, der am 40. Todestag von Doping-Opfer Tom Simpson sein Gelbes Trikot zum sechsten Mal verteidigte.
Für Zabel, der sich nach seinem tränenreichen Doping-Geständnis vor sieben Wochen fast devot gibt, wurde die 6. Etappe wieder zum Familien-Ausflug. Sein 15-jähriger Sohn Rick, bereits erfolgreicher Jugend-Fahrer, bekam ein Weißes Trikot - sonst die Auszeichnung für den besten Tour-Nachwuchsfahrer - geschenkt. «Das Grüne Trikot war kein Ziel von mir. Ich empfinde das jetzt als eine Art Geschenk. Oft ist es ja im Leben so, dass man etwas bekommt, wenn man es nicht unbedingt will und mit etwas Laissez Faire an die Sache geht», hatte der Berliner vor dem Start erklärt.
Da wusste er wahrscheinlich nicht, dass die Tour-Organisation bei ihren «Aufräumarbeiten» nach den Doping-Geständnissen auch dabei ist, Zabels erstes Grünes Trikot von 1996 wegen zugegebenen Dopings zu annullieren, erklärte der Direktor des Tour-Organisation Amaury Sports, Patrice Clerc. Damit dürfte Zabel auch den Rekord verlieren, von 1996 bis 2001 das Trikot sechs Mal in Serie errungen zu haben. Zuletzt hatte er es 2002 getragen. Nach Bjarne Riis' Geständnis war der Name des dänischen Toursiegers von 1996 bereits aus den Annalen der Tour gestrichen worden.
Die Süddeutsche Zeitung» berichtet, dass ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender einen «allgemeinen Medienboykott» für denkbar hält, wenn sich im Radsport «auf Dauer systematisch nichts verändert». Dies erklärte Brender in einem Interview mit der Zeitung an dem auch der ARD-Programmdirektor Günter Struve teilnahm. «Über die Tour de France «würde dann ein Jahr nicht geschrieben, nicht gesendet, nicht gefunkt werden», sagte Brender weiter.
Struve betonte in dem Zusammenhang, dass sich die ARD dann einem möglichen Boykott anschließen würde. «Keine Frage, ich würde Brenders Aufruf folgen, und so etwas organisiert sich dann von selbst», stellte der ARD-Programmchef klar.Brender räumte unterdessen Versäumnisse im Zusammenhang mit der Doping-Berichterstattung bei früheren Frankreich-Rundfahrten ein. «Es gab auch bei ARD und ZDF immer wieder Berichte über Doping - die allerdings nicht integriert waren in die Tour-Berichterstattung. Das war ein Fehler», sagte der ZDF-Chefredakteur. Und ergänzte: «Wir sind Ende der 90er Jahre Teil des Medien- und Wirtschaftsbetriebs Tour de France geworden.»