Berlin (dpa) - Termin und Inhalt des Jan-Ullrich-Interviews waren sicher nicht zufällig gewählt. «Ich habe immer gesagt: Ich höre mit einem Tour-Sieg auf. Dieses Jahr wurde er mir leider verwehrt. Deswegen bin ich bestrebt, noch ein Jahr dran zu hängen», sagte der Ex-T-Mobile-Profi.
In der Schweizer Zeitung «Blick» nahm Ullrich ausführlich Stellung zu den letzten Wochen. Der Tour-de-France-Gewinner von 1997 und Olympiasieger von 2000 hatte immer seine Unschuld beteuert, nachdem sein Name im Zusammenhang mit dem in Spanien aufgedeckten Dopingskandal aufgetaucht war. Er wolle sich jetzt ein anderes Team suchen.
Am selben Tag der Interview-Veröffentlichung war in Düsseldorf ein Gespräch zwischen dem Ullrich-Anwalt und der Gegenpartei, der Olaf Ludwig GmbH als seinem Arbeitgeber, über eine eventuell mögliche Schlichtung im drohenden Rechtsstreit angesetzt. Der 32-jährige Ex-Kapitän will gegen die Kündigung klagen. Da sollte - vor allem öffentlich - an seinem festen Willen, weiter machen zu wollen, kein Zweifel aufkommen. Trotz der großen Wahrscheinlichkeit, dass ihm eine Sperre durch den Weltverband droht und das Image des großen Sportidols längst zerstört ist.
Bei dem Anwalts-Treffen, das, wie Teamsprecher Christian Frommert mitteilte, «in konstruktiver Atmosphäre» verlief, ging es in erster Linie wohl um viel Geld. Ullrich stünden bis zu seinem Vertragsende am 31. Dezember 2006 theoretisch noch rund eine Million Euro Gehalt von T-Mobile zu. Außerdem hat er seit Vertragsabschluss am 1. Januar 2004 eine Vereinbarung in der Tasche, dass er nach Ende seiner Karriere im Unternehmen weiter beschäftigt wird - damals war die Rede von einer zehnjährigen Laufzeit bis 2014. Die Anwälte hätten ein weiteres Treffen vereinbart, über Ergebnisse sei Stillschweigen vereinbart worden.
Ullrich ist trotz der eindeutigen, von der spanischen Polizei zusammengetragenen Indizien für Blut-Doping und weitere Manipulationen weit davon entfernt, sich zu bekennen. Er sei in diesem Jahr mehrfach kontrolliert worden, alle Doping-Tests im Training und bei Wettkämpfen seien negativ gewesen. Die Argumentation übersieht, dass die Ereignisse der letzten Wochen gerade wieder gezeigt haben, dass negative Doping-Kontrollen über tatsächliche Manipulationen manchmal wenig verraten. Eigenblut-Doping und Wachstumshormone sind nicht nachzuweisen.
«Ich muss doch nicht meine Unschuld beweisen. Es ist menschenunwürdig, wenn ich einen Gentest abgeben muss. Ich bin ein Radprofi und doch kein Mörder oder Verbrecher», sagte Ullrich in dem Interview weiter. Ein DNA-Test wäre die simpelste Methode zu beweisen, dass das ihm zugerechnete Blut aus der Praxis des in Spanien verfolgten Arztes Eufemiano Fuentes nicht seines ist.
Auf die Frage «Jan Ullrich, ganz ehrlich: Haben Sie wirklich nie gedopt?» antwortete der ehemalige T-Mobile-Kapitän in dem Interview: «Natürlich nicht. Ich habe niemals in meiner ganzen Karriere einen anderen Rennfahrer betrogen. Das ist Fakt.» Die Kündigung durch seinen Bonner Radstall akzeptiert der Tour-Sieger von 1997 nicht, «weil es aus meiner Sicht keinen Grund für diesen Rauswurf gibt».
Während die Anwälte des Team-Managers Ludwig am Dienstag in Sachen Ullrich-Kündigung verhandelten, ist die Zukunft des Thüringer Ex-Profis weiter ungewiss. Allerdings ist klar, dass «seine Kündigung und die seines Sport-Direktors Mario Kummer», wie oft kolportiert, durch den Sponsor rechtlich gar nicht möglich ist. T-Mobile hat mit der Ludwig GmbH eine bindende Vereinbarung bis 2008 und mehrfach auch nach dem Fall Ullrich signalisiert, sich weiter im Radsport engagieren zu wollen.
«Wir könnten weder Ludwig noch Kummer kündigen, weil sie keine Angestellten des Konzerns sind. Wir haben bereits gestern und auch schon während der Tour begonnen, uns Gedanken zu machen, wie wir das Team in Zukunft aufstellen. Dabei kommen alle Positionen auf den Prüfstand und es wird geprüft, in wie weit Bob Stapleton, der als Manager das Damen-Team betreibt, und Ex-Profi Rolf Aldag enger an die Teamleitung gebunden werden können. Beide sind ja seit längerer Zeit bereits involviert», sagte Frommert.
Schon während der Tour machte das Wort vom erwünschten «Klinsmann-Effekt» die Runde, womit der Sponsor nach dem Ullrich-Schock Erfolg versprechenden Neuaufbruch signalisieren könnte. Stapleton wohnt zumindest auch in Kalifornien. Zum angestrebten Neuanfang würde gut passen, alle alten Verbindungen, zum Beispiel zu Ludwig und Kummer, zu kappen. Das könnte für T-Mobile - ebenso wie eine Einigung im Fall Ullrich - teuer werden. Auch der gekündigte Team-Manager Rudy Pevenage hat bereits rechtliche Schritte angekündigt.