Bottmersdorf (rad-net) - Pauline Grabosch zählt zu den größten Bahnradtalenten in Deutschland. Die fünfmalige Weltmeisterin Kristina Vogel hat die 16-Jährige aus Sachsen-Anhalt bereits als potenzielle Nachfolgerin ausgemacht.
«Kristina Vogel hat mir bei der Bahneröffnung in Frankfurt/Oder gesagt: So wie du fährst, wirst du meine Rekorde knacken», erzählt Pauline Grabosch im Gespräch mit «rad-net». Zwei Tage später hatte sie Vogels erste Bestmarke gebrochen.
Beim Sichtungsrennen des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) auf der neuen Bahn in der Oderlandhalle legte sie die 200 Meter Sprintqualifikation in der deutschen Rekordzeit von 11,76 Sekunden hin. Bisher hatte Vogel in der Altersklasse der weiblichen U17 die Bestzeit mit 11,83 Sekunden gehalten, aufgestellt vor acht Jahren. «Als ich über die Linie gefahren bin, dachte ich schon: Ja, das war es jetzt», sagt Pauline Grabosch über ihre Rekordfahrt.
Bei den Deutschen Meisterschaften Anfang September hatte die Bahn-Sprinterin vom RSV Ostwerweddingen aus der Nähe von Magdeburg bereits nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. In Cottbus gewann sie in der Jugendklasse den Titel im Sprint und im 500-Meter-Zeitfahren, in dem sie auch schon 2013 in Oberhausen erfolgreich gewesen war.
Die ehrgeizige Athletin hat noch viel vor. Zum neuen Schuljahr wechselte sie ans Sportinernat in Kaiserslautern. In der Pfalz ist sie bei Olympiastützpunkt-Trainer Frank Ziegler in einer Trainingsgruppe mit Teamsprint-Olympiasiegerin Miriam Welte und Emma Hinze. Mit der Europa- und Weltmeisterin im Teamsprint der Juniorinnen geht sie auch in die 11. Klasse des Heinrich-Heine-Gymnasiums. Frank Ziegler hatte Paulines Potenzial bereits vor drei Jahren bei der Schüler-DM Omnium in Köln erkannt und ihr vom Internat erzählt.
Nun war die Zeit reif für den Schritt, weil sie in ihrer Heimat Schule und Sport nicht mehr zufriedenstellend miteinander vereinbaren konnte. Nach einer Probewoche über Pfingsten - inklusive Wettkämpfen wie der 3-Bahnen-Tournee - war alles klar für den Wechsel nach Rheinland-Pfalz.
«Ich habe mich sehr gut eingelebt und die Trainingsumstellung gut aufgenommen. Es macht mir viel Spaß», sagt Pauline begeistert. Auch ihre geliebten Fremdsprachen kann sie weiterlernen, neben Englisch und Französisch auch Chinesisch, was dank einer Kooperation mit der Universität möglich ist.
Dabei fährt sie auch weiterhin für ihren Heimatvertein, den RSV Osterweddingen. «Das lag mir am Herzen. Der Verein hat mich immer unterstützt und macht das immer noch», sagt Pauline.
In der aktuellen Trainingspause genießt sie gerade die letzte Woche der Herbstferien zuhause bei ihrer Familie in Bottmersdorf sowie mit Collie Patrick und Katze Merel - und macht dabei natürlich auch Sport. «Ein bisschen Radfahren, um die Beine zu lockern und den Kopf freizupusten, Schwimmen gehen, ein bisschen Laufen. Ohne Sport kann ich nicht, das war schon immer so», sagt sie lachend.
Sie stammt aus einer Sportlerfamilie, der Vater Kanute, die Mutter Leichtathletin. Bis vor vier Jahren machte sie selbst noch Leichathletik, brach auch dort im Sprint einige Landesrekorde ihrer Altersklasse. Doch dann bereiteten ihr die Knie immer wieder Probleme. «So bin ich zum Radsport gekommen.» Über eine Talentsichtung landet sie bei Andreas Kindler. «Sie hat in der U13 angefangen, da war das Talent schon erkennbar. Sie war immer sehr schnellkräftig», sagt ihr Heimtrainer, der weiter mit ihr in engem Kontakt steht.
Die junge Sportlerin, die mit zehn Siegen in diesem Jahr ihre bisher erfolgreichste Saison fuhr, peilt nun die nächsthöhere Stufe an. «Sie ist von ihren physischen und Schnellkraft-Voraussetzungen sehr talentiert. Außerdem ist sie eine sehr intelligente Sportlerin, die sehr zielstrebig ist und einen sehr starken Willen hat», beschreibt der Diplom-Sportlehrer Ziegler die 16-Jährige.
Auf ihrem Weg orientiert sich Pauline Grabosch an den Besten. «Miriam und Kristina sind für mich große Vorbilder», sagt die talentierte Kurzzeit-Sportlerin. Vorbilder, von denen sie unmittelbar lernen kann. «Sie geben ihr Wissen weiter und geben Tipps», sagt sie über das gute Verhältnis zu den Teamsprint-Olympiasiegerinnen.
Auch in der Trainingsgruppe mit Miriam Welte und Emma Hinze gebe es kein Konkurrenzverhalten, sondern nur gegenseitige Motivation. «Miriam steht voll hinter uns. Wir sehen sie nicht als Olympiasiegerin, sondern als Freundin an.»
Die familiäre Atmosphäre in der Pfalz soll ihre Leistung weiter beflügeln. «Im Teamsprint haben Emma und ich große Ziele», blickt Pauline voraus. Mit dem Ende der Herbstferien beginnt am Montag auch der Start in die WM-Vorbereitung. Im nächsten Jahr will das Duo Hinze/Grabosch bei den Junioren-Weltmeisterschaften Anfang August in Astana um den Titel mitfahren.
«Pauline und Emma haben sich hierzulande in den vergangenen Jahren herauskristallisiert. Sie könnten die potenziellen Nachfolgerinnen von Kristina Vogel und Miriam Welte werden», sagt «Medaillenschmied» Ziegler. Nun gehe es darum, «dass die beiden sich finden. Pauline wird wie Miriam Anfahrerin werden, Emma bleibt an der Position zwei».
Doch um bis ganz an die Spitze zu kommen, so wie es Kristina Vogel und Miriam Welte gelungen ist, hat Pauline noch einen weiten Weg vor sich. Ziegler weiß: «Dafür muss alles stimmen.» Und der 54-Jährige versucht alles, damit das der Fall ist.
Zum «rad-net»-Sportlerporträt von Pauline Grabosch ...