Hagen (rad-net) - Im Interview mit «rad-net» spricht Marcel Kittel, der «rad-net Sportler des Jahres», über seine Traumsaison 2013, seine Ziele für das neue Jahr und den Status quo im deutschen Radsport. «Ich bin wirklich zuversichtlich, dass unser Sport wieder im Kommen ist und wir auch in Zukunft weiter gute Ergebnisse produzieren werden», sagt der 25-jährige Erfurter vom Team Argos-Shimano.
Am Mittwoch machte sich der viermalige Tour-Etappensieger von Amsterdam aus auf den Weg nach Australien, wo er mit seinem Team bei der Tour Down Under (19. bis 26. Januar) in die Saison einsteigt. «Das wichtigste ist, dass wir uns in unserer Art, erfolgreich zu sein, selbst treu bleiben. Dann bin ich mir sicher, dass wir wieder das Level des letzten Jahres erreichen können», blickt Kittel auf die Saison 2014 voraus.
Herr Kittel, inwiefern sind Auszeichnungen wie die Wahl zum «rad-net Sportler des Jahres» oder der größten deutschen Publikumswahl von SPORT1.de ein Ansporn für Sie?
Marcel Kittel: Ich freue mich natürlich, dass mir zuletzt so viel Anerkennung entgegengeschlagen ist, auch für das Team. Wir haben im vergangenen Jahr einfach großartige Erfolge zusammen gefeiert. Das motiviert mich unheimlich für dieses Jahr, das Ganze hoffentlich noch einmal zu wiederholen oder ähnlich gut hinzubekommen. Ich hoffe, dass wir damit auch dem Sport insgesamt ein bisschen helfen können, gerade auch zu Hause in Deutschland.
Lässt sich so ein erfolgreiches Jahr wiederholen?
Kittel (lacht): Ich habe meine Kristallkugel gerade nicht dabei. Das ist natürlich schwer zu sagen. Man sollte das nicht erwarten, weil ja auch wirklich wahnsinnige Erfolge dabei waren. Ich glaube andererseits aber auch an das Potenzial meiner Mannschaft, das nochmal zu schaffen. Ich rede nicht von noch einmal vier Tour-Etappensiegen - es gibt ja viele Möglichkeiten, eine schöne Saison zu haben. Das wichtigste ist, dass wir uns in unserer Art, erfolgreich zu sein, selbst treu bleiben. Dann bin ich mir sicher, dass wir wieder das Level des letzten Jahres erreichen können.
Wie sieht diese Art, von der Sie sprechen, aus?
Kittel: Es geht einfach um den Zusammenhalt, den wir als Gruppe haben. Man befindet sich nicht nur unter Kollegen, sondern ist mit Freunden unterwegs. Wir verbringen sehr viel Zeit miteinander, nicht nur im Rennen, sondern auch in Trainingslagern. Dadurch kennt man sich gut und weiß letzten Endes, für wen man sich - auf gut Deutsch gesagt - den Arsch aufreißt oder irgendwelche Löcher zufährt. Ich glaube, dass uns das als Team besonders macht und ein bisschen unser Erfolgsgeheimnis ist.
Bei Argos-Shimano gehören fünf Deutsche zum Team. Ist das auch ein Ausweis der Qualität des deutschen Radrennsports?
Kittel: Insgesamt werden dieses Jahr rund 20 deutsche Profis auf der WorldTour dabei sein. Das zeigt mir, auch gerade nach dem letzten Jahr mit sechs deutschen Siegen bei der Tour, wie leistungsfähig der deutsche Radsport ist und wie viele Rennfahrer wir hier haben. Deswegen bin ich wirklich zuversichtlich, dass unser Sport wieder im Kommen ist und wir auch in Zukunft weiter gute Ergebnisse produzieren werden.
Sie waren in zwei Trainingslagern, in Altea mit dem Team und über Silvester mit Tony Martin auf Mallorca. Wie ist Ihre Form kurz vor dem Saisonauftakt bei der Tour Down Under?
Kittel: Die Beine sind okay, der Saisonauftakt ist für mich, wie das Wort schon sagt, wirklich nur ein Einstieg in die Saison. Ich bin froh, wenn ich wieder das Gefühl für die Rennen zurück habe und wir uns als Mannschaft wieder schnell finden - und hoffentlich das ein oder andere Mal sprinten können. Wobei Australien relativ schwer sein soll und wir in der Mannschaft mehrere Optionen haben, um erfolgreich unterwegs zu sein. Wenn es mal berghoch geht oder eine schwere Etappe ansteht, haben wir Nikias Arndt mit, auch Simon Geschke ist in wirklich guter Form. Ich mache mir daher keine Sorgen und denke, wir werden dort eine gute Zeit haben, wenn wir unser Ding durchziehen.
Mit welchen Zielen gehen Sie ins neue Jahr?
Kittel: Das Highlight wird für mich wieder die Tour sein. In die Richtung ist erstmal auch meine Planung aufgebaut. Davor gibt es aber noch viele andere schöne Rennen, bei denen ich vermutlich sprinten kann und die Chance auf einen Sieg habe. Ich setze mir jetzt nicht ein großes Ziel, denn - wie gesagt - der Weg zur Tour bietet auch viele schöne Möglichkeiten. Dann werde ich einfach sehen, was da abfällt.
Die Weltmeisterschaft in Florenz bot im letzten Jahr keine Strecke für Sprinter. Das soll im spanischen Ponferrada im September nicht großartig anders sein …
Kittel: Wenn es ähnlich wie Florenz wird, wo die Strecke für Sprinter definitiv zu schwer war, macht es für mich auch keinen Sinn, in Ponferrada zu fahren. Das wäre auch nicht gut für die Mannschaft. Da sind dann einfach andere Fahrertypen gefragt. Ich kann nur wieder mal auf eine einfachere WM hoffen und dann da mein Glück versuchen.
Grundsätzlich: Was können Sie individuell technisch/taktisch noch verbessern?
Kittel: Für mich war es ein wichtiger Schritt, die Tour zu beenden, um physisch nochmal ein bisschen stärker zu werden für das kommende Jahr. Für mich als Sprinter ist es immer wichtig, so gut wie möglich mit der Mannschaft zusammenzuarbeiten. Deswegen werden wir versuchen, so schnell wie möglich wieder das Gefühl füreinander zu bekommen, um letzten Endes zu einer Einheit zu finden.
Ist der Druck durch Ihre jüngsten Erfolge größer geworden?
Kittel: Insgesamt sind wir als Mannschaft mehr gefordert. Ich glaube schon, dass mehr Leute auf das Team und auch auf mich gucken. Aber am schlimmsten ist der Druck, den man sich selber macht, deswegen fange ich gar nicht erst damit an. Ich sehe das eigentlich entspannt und gucke mal, wie es kommt. Da muss ich mir keinen Stress machen, da komme ich irgendwann von allein hin. (lacht)
Spätestens zum Ende des Rennens, wenn es zum Sprint kommt.
Kittel: Sowieso. (lacht)