Zolder (dpa) - Uwe Peschel will Jan Ullrich beerben. Die Chancen, beim 43,5-km-Zeitfahren als Weltmeister in Zolder direkter Nachfolger des einstigen Telekom-Kapitäns zu werden, stehen nicht schlecht.
Auch wenn Bescheidenheit oder Realitätssinn bei Peschel keine Titel-Prognose zulassen, gilt der gebürtige Berliner im Elite-Bereich neben seinem Team-Kollegen Michael Rich als sicherster Medaillen-Kandidat des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR).
Erik Zabels Aussichten im abschließenden WM-Rennen über 262 km sind weniger kalkulierbar. Große Hoffnungen hegen auch die diesjährige Weltcup-Gewinnerin Petra Roßner (Leipzig) und Ina Yoko-Teutenberg (Mettmann) im Straßenrennen.
«Unter den ersten Fünf wäre okay, unter den ersten Drei super», meinte der knapp 34-jährige Peschel vor dem Rennen gegen die Uhr. Im Herbst seiner Karriere kann er auf die erfolgreichste Saison seiner Laufbahn zurückblicken und den prestigeträchtigen Sieg im Grand Prix des Nations als WM-Empfehlung neben anderen Erfolgen in die Waagschale werfen. Die Rückschläge der Jahre 1999 (Viruserkrankung) und 2000 mit zwei Knochenbrüchen sind vergessen.
Der seit einigen Jahren im Allgäu in Scheidegg ansässige Peschel schießt vor seinem wahrscheinlich letzten und wichtigsten Saison- Termin allerdings nicht über das Ziel hinaus: «Den WM-Titel habe ich mir nach dem Vuelta-Sieg von Aitor Gonzalez fast abgeschminkt. Wie der Spanier da im abschließenden Zeitfahren zum Sieg geschwebt ist - sagenhaft. Er ist der Topfavorit.»
Der gelernte Forstwirt, der in die Fußstapfen seines Vaters Axel Peschel (Friedensfahrtsieger 1968) trat, rechnet auf dem flachen Kurs in Zolder, der zum Teil über die Autorennstrecke führt, mit etwa zehn Titel-Aspiranten. Neben Gonzalez zählt er Rich (Öschelbronn), den zweifachen Tour-Etappen-Gewinner Santiago Botero (Kolumbien), David Millar (Schottland) und Laszlo Bodrogi (Ungarn) zu seinen Hauptkonkurrenten.
Medaillen haben für Peschel einen vertrauten Glanz. 1995 gab er sich im WM-Zeitfahren nur Miguel Indurain und Abraham Olano geschlagen. Fünf Jahre davor holte er mit dem letzten DDR- Straßenvierer WM-Silber und 1992 Olympia-Gold. Im August gewann er mit Rich das Paarzeitfahren in Karlsruhe und gewann die Gesamtwertung der Hessen-Rundfahrt. «Mein schönster Erfolg, weil die ganze Mannschaft für mich fuhr und ich mich mit dem Sieg bedanken konnte.»
Einen Tag nach dem WM-Zeitfahren hat Peschel mit seiner Freundin einen Flug in die Karibik gebucht. Nur im äußersten Notfall wäre er bereit, bei einem Zeitfahren am 20. Oktober noch «nachzusitzen». Dort eingefahrene Weltranglisten-Punkte könnten seinem Team die Teilnahme- Berechtigung für die Tour de France 2003 näher bringen. Peschel: «Eine Rennfahrer-Karriere ohne Tour ist nicht komplett».
Die Vertragsunterschrift für mindestens ein weiteres Jahr bei Gerolsteiner steht noch aus, «aber die Grundpfeiler stehen», meinte der Zeitfahrspezialist, der der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt für Radprofis auch Tribut zollen muss. «In anderen Jahren wäre für mich nach solchen Leistungen wesentlich mehr drin gewesen», sagte Peschel.