San Remo (dpa) - Die Frage nach seinem einstigen Widersacher Erik Zabel bereitete Oscar Freire sichtliches Vergnügen. Denn der dreimalige Weltmeister hatte seinen langjährigen Rivalen bei der 101. Auflage von Mailand-San Remo gleich doppelt gepiesackt.
Nicht nur dass er dessen Zögling Mark Cavendish die Show gestohlen hatte, sondern auch, dass er nur noch einen Erfolg von Zabels vier «Classicissima»-Siegen entfernt ist, ließ Freire schelmisch grinsen. «Ich war immer vorne mit dabei, um zu verhindern, dass Zabel gewinnt», erinnerte sich der spanische Radprofi am Samstag an die alten Duelle und kündigte für das kommende Jahr schon einmal an: «Natürlich will ich auch ein viertes Mal gewinnen.»
Beim Start der Klassiker-Saison war der 34-Jährige, der schon 2004 und 2007 in San Remo triumphiert hatte, im Massensprint eine Klasse für sich. Im Finale der 298 Kilometer langen «Primavera» setzte sich Freire an der Strandpromenade Lungomare Italo Calvino souverän vor dem belgischen Ex-Weltmeister Tom Boonen und dem früheren Milram- Kapitän Alessandro Petacchi aus Italien durch. «Er ist ausgebufft und ein Riesen-Champion. Hier hat kein Falscher gewonnen», zollte Linus Gerdemann Respekt.
Der Milram-Leader selbst fuhr ebenfalls ein starkes Rennen und kam mit der Spitzengruppe als 19. ins Ziel an der italienischen Mittelmeerküste. «Das ist für die Sprinter die erste WM im Frühjahr. Da gab es keine Chance. Ich habe aber das Beste daraus gemacht», sagte der 27-Jährige mit staubbedecktem Gesicht und völlig abgekämpft. Er trauerte nach dem Sprinter-Finale vor allem dem Ausfall seines Co-Kapitäns Gerald Ciolek (Schulteroperation) hinterher: «Das wäre genau sein Ding gewesen.» Als bester deutscher Fahrer wurde Freires Rabobank-Helfer Pauls Martens aus Rostock 15.
Während im Dortmunder Milram-Lager Zufriedenheit herrschte, schmeckte Zabel sein einstiges Lieblingsrennen («Das ist für mich wie Weihnachten für Kinder») diesmal doppelt bitter. Mehr noch als Freires Coup, der 2004 nur mit wenigen Millimeter Vorsprung gewonnen hatte, weil der klar führende Zabel zu früh jubelnd die Arme hochgerissen hatte (Freire: «Mein Sieg war eigentlich ungerecht»), wurmte ihn das Pech seines Columbia-Vorzeigeschülers Cavendish.
Der von Zahnschmerzen gehandicapte Vorjahressieger musste - entkräftet von der Aufholjagd nach zwei Platten und einem Sturz - am vorletzten Anstieg zur Cipressa die Rivalen ziehen lassen. Zabel sah im Auto hilflos mit an, wie der Brite zurückfiel - und damit seine langen Vorbereitungsstunden als Columbia-Sprinttrainer umsonst waren. «Erik war schon traurig. Er ist gerade ins Begleitfahrzeug eingestiegen, als der Mist losging», berichtete Sportdirektor Rolf Aldag der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Dass es angesichts von Cavendishs Problemen eventuell ein Fehler war, auf den Weltranglistenzweiten André Greipel (Rostock) als «Plan B» verzichtet zu haben, wies Aldag zurück: «Der Vorjahressieger muss Priorität haben. André ist zu stark, um Helfer zu sein.» So wie das Rennen gelaufen sei, sei die Entscheidung «genau richtig» gewesen. Greipels Stunde soll spätestens beim Giro d'Italia schlagen: Dort darf der Supersprinter, der im stallinternen Duell gegen Cavendish in dieser Saison mit 6:0 führt, als Kapitän das Team anführen. Pikant dürfte bei Columbia die Besetzung für die Tour de France im Sprinterbereich werden.