Montreal (dpa) - Erik Zabel lässt schön grüßen. Mit dem fragwürdigen Dopinggeständnis von Ex-Giro-Sieger Ryder Hesjedal fernab des strafrelevanten Bereichs ist der nächste nordamerikanische Gewinner einer großen Radrundfahrt als Sportbetrüger überführt.
An der Aufrichtigkeit des Kanadiers bestehen jedoch große Zweifel. Hesjedal will nur 2003 gedopt haben. So muss er aufgrund der achtjährigen Verjährungsfrist wohl keine Konsequenzen fürchten. Der Radsport-Verband Cycling Canada sprach sich sogleich für eine Amnestie im Falle seines größten Aushängeschilds aus.
Er sei «offen und ehrlich» mit seiner Vergangenheit umgegangen, betonte Hesjedal in seinem veröffentlichten Statement über Dopingvergehen im Jahr 2003, als er noch als Mountainbiker unterwegs gewesen war. «Ich habe diesen Sport geliebt und gelebt. Doch vor mehr als einem Jahrzehnt habe ich den falschen Weg gewählt», sagte Hesjedal, der 2012 als bislang einziger Kanadier die Italien-Rundfahrt gewann: «Auch wenn der Fehler mehr als zehn Jahre zurückliegt, ändert es nichts daran, dass ich ihn gemacht und damit gelebt habe.»
Doping nur im Jahr 2003? Dabei hatte Hesjedals Karriere erst nach 2003 so richtig Fahrt aufgenommen. 2004 und 2005 fuhr er ausgerechnet an der Seite des Ober-Betrügers Lance Armstrong im amerikanischen Team Discovery Channel, in dem unter dem umstrittenen Teamchef Johan Bruyneel wie längst bewiesen umfangreich gedopt worden war. Und auch Hesjedals Arbeitgeber aus dem Jahr 2006, das Schweizer Phonak-Team, galt alles andere als Synonym für Sauberkeit im Radsport. Tiefpunkt nach einer Reihe von Dopingfällen im Team war der Fall Floyd Landis, der wenige Tage nach dem Gewinn der Frankreich-Rundfahrt 2006 als Betrüger überführt worden war.
So wundert sich nicht nur Ex-Radprofi Jörg Jaksche. «Natürlich Ryder. Du bist außerhalb des Strafbereichs und morgen wird Jonathan Vaughters das Hungerproblem lösen», twitterte der frühere Doping-Kronzeuge. Vaughters ist Teamchef des Garmin-Teams und predigt seit Jahren eine Anti-Doping-Politik. Allerdings musste er 2012 einräumen, in seiner aktiven Zeit selbst gedopt zu haben. Auch eine Reihe seiner heutigen Fahrer (David Zabriskie, Christian Vande Velde und Tom Danielson) gestand im Zuge des Falls Armstrong Dopingpraktiken.
Bei Hesjedals Geständnis werden unweigerlich Erinnerungen an die erste Mini-Beichte von Zabel im Jahre 2007 wach. Damals hatte der deutsche Top-Sprinter tränenreich eingeräumt, EPO-Doping im Jahr 1996 ausprobiert zu haben. Auch bei Zabel griff die Verjährungsfrist. Der frühere Telekom-Star durfte im Gegensatz zu Jan Ullrich weiter siegen. Im Sommer dieses Jahres musste Zabel allerdings sein Geständnis stark modifizieren, nachdem der französische Senat bei Nachuntersuchungen zur Tour de France 1998 weitere positive Dopingproben von Zabel entschlüsselt hatte.
Im Fall Hesjedal dürfte wohl auch der geständige Dopingsünder Michael Rasmussen den Kanadier bei seinem Outing auf die Sprünge geholfen haben. Der Däne, der 2007 als Träger des Gelben Trikots bei der Tour de France aus dem Rennen genommen worden war, hat in seiner am kommenden Montag erscheinenden Biografie «Yellow Fever» mehrere Fahrer und Verantwortliche belastet. Demnach soll er 2003 Hesjedal und dessen kanadischen Landsmännern Seamus McGrath und Chris Sheppard in Doping-Praktiken mit dem Blutdopingmittel EPO eingewiesen haben. Bereits vor geraumer Zeit hatte Rasmussen den Anti-Doping-Agenturen seine Kooperation zugesichert und angekündigt, dass er auspacken würde. Hesjedals Team betonte indes, dass der Kanadier schon im vergangenen Jahr wahrheitsgemäß und umfassend ausgesagt habe, als er von den Doping-Agenturen kontaktiert worden war.
Mitteilung der kanadischen Anti-Doping-Agentur CCES
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