Madrid (dpa) - Die Doping-Fahnder ziehen langsam ihre Glacé-Handschuhe aus. Mit Roberto Heras steht nach Lance Armstrong ein weiterer ganz Großer des Radsports am Pranger.
Der Sieger der diesjährigen Spanien-Rundfahrt wurde nach spanischen Presseberichten bei der vorletzten Etappe der Vuelta positiv auf das Blutdopingmittel Erythropoetin (EPO) getestet. Heras ist nun vom Weltradsportverband UCI gezielt auf verbotene Substanzen getestet worden. Wenn die für den 21. November erwartete Gegenprobe das Ergebnis bestätigt, würde ihm der Sieg aberkannt. Heras droht eine zweijährige Sperre und damit wohl das unrühmliche Karriereende.
Der zweitplatzierte Russe Denis Mentschow kann auf den Sieg am Grünen Tisch hoffen, wenn er bei der betreffenden Etappe - bei dem Zeitfahren hatten die Besten für neue Rekordzeiten über 55 Stundenkilometer gesorgt - ohne Befund getestet wurde. Sonst bliebe die Vuelta 2005 ohne Sieger. Bei der Spanien-Rundfahrt 1982 war der Spanier Angel Arroyo wegen Dopings noch sehr milde mit der Rückstufung auf Platz 13 bestraft worden - sein Landsmann Marino Lejarreta wurde zum Sieger erklärt.
Die Affäre Armstrong - beim Tour-Rekordsieger wurden in sechs Proben von 1999 EPO-Spuren nachgewiesen - liegt weiter in den Händen eines Schweizer Juristen, dessen Einschätzung noch in diesem Jahr erwartet wird. Mehr als der ohnehin entstandene Imageschaden wird Armstrong auch bei einem «Schuldspruch» nicht anhaften, denn eine sportrechtliche Verurteilung des zurückgetretenen Texaners ist nicht möglich, weil keine Gegenanalyse mehr stattfinden kann. Mit Spannung wird weiter immer noch auf den Abgleich mit Fahrer-Namen weiterer positiver Analysen der Tour de France 1998 gerechnet. Auch dort könnte es Prominente treffen.
«Ich habe ein reines Gewissen. Ich habe nichts genommen und gehe davon aus, dass das Laboratorium sich geirrt hat», war die erste Reaktion des vierfachen Vuelta-Siegers Heras, dessen Team Liberty Seguros den 31-jährigen Spanier bis zur endgültigen Klärung des Dopingverdachts suspendiert hat. Auch die Gehaltszahlungen des früheren Armstrong-Helfers - schätzungsweise 150 000 Euro pro Monat - wurden vorläufig eingestellt. In dieser Saison waren bereits zwei Liberty-Fahrer mit erhöhten Blutwerten aufgefallen: Isidro Nozal (Spanien) und der Portugiese Nuno Ribeiro.
Der «Fall Heras» ist die zweite Doping-Affäre der diesjährigen Vuelta. Zuvor war bereits der Gewinner von 2002, der Spanier Aitor González, positiv auf ein Anabolikum getestet worden. Heras' Leistungsexplosion im Heimatland wenige Wochen nach seiner Tour-Pleite in Frankreich hatte vor dem Hintergrund der Armstrong-Affäre bereits für Argwohn gesorgt. «El Pais» hatte im September hinter den 56 vorzeitig ausgeschiedenen Vuelta-Startern nicht nur Kranke und Verletzte vermutet. Von einem «Geheimpakt» war die Rede: Entdeckte Unregelmäßigkeiten bei den Blutwerten hatten den sofortigen, «freiwilligen» Ausstieg zur Folge, ohne dass es ein Nachspiel gab.
Die den Spaniern bei der Vuelta nachgesagte Laxheit bei den Kontrollen vor Ort, die auch Erik Zabel bestätigte, scheint jetzt aber der Vergangenheit anzugehören. Italien und Frankreich mit der scharfen Anti-Doping-Gesetzgebung gilt potenziellen Betrügern ohnehin als gefährliches Terrain. Die Tour-Organisatoren kündigten bereits an, enger mit der Welt-Doping-Agentur WADA zusammen zu arbeiten, was dem Weltverband UCI nicht passt, der um seine Zuständigkeiten fürchtet. 2006 sollen die Kontrollen vor der am 1. Juli in Straßburg beginnenden Tour ausgeweitet werden.