Berlin (dpa) - Diesen Rekord hält er für «Quatsch», auch wenn er ihn selbst aufstellt. Radprofi Jens Voigt steht vor der 15. Teilnahme bei der Tour de France - damit ist der 40-Jährige in Deutschland Spitze und verweist Erik Zabel auf Rang zwei.
«Das interessiert mich gar nicht. Das ist doch Quatsch. Wenn ich der Rekordhalter an Etappensiegen wäre, oder die meisten Tage im Gelben Trikot gewesen wäre - okay, das wäre vielleicht ein Rekord», sagte der Routinier. Die französischen Sportfans lieben ihn, weil er ihre Sprache spricht und versteht, und weil er immer so schön verbissen kämpft. Bei 14 Tour-Starts erreichte Voigt das Ziel in Paris elfmal.
Seine mutmaßlich letzte Tour - aber wer weiß das bei Marathonmann Voigt schon mit Sicherheit - könnte ihm ungeahnte Freiheiten in seinem Team RadioShack-Nissan geben. Nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Andy Schleck und damit ohne einen «Killer-Kapitän», wie Voigt selbst sagt, ist den Team-Mitglieder womöglich öfter erlaubt, eigene Attacken während der Tortur durch Frankreich zu riskieren.
Das käme dem sechsfachen Vater aus Berlin-Grunewald entgegen, auch wenn er sich wie immer in den Dienst der Mannschaft stellt. «Ich werde sicher eher der Arbeiter sein als der große Vollstrecker», kündigte er an. Dabei fühlt er sich in Ausreißergruppen immer noch am wohlsten. Zweimal kam Voigt so zu seinen größten Tour-Erfolgen, den Etappensiegen 2001 und 2006. Ebenfalls zweimal trug er Gelb (2001 und 2005). Beim letzten Mal hatte er Tour-Rekordchampion Lance Armstrong in Mulhouse die Führung abgenommen - allerdings nur für einen Tag.
«Wir haben mit Frank Schleck und Andreas Klöden zwei Leute, die aufs Podium fahren können. Außerdem werden wir versuchen, Etappen zu gewinnen», markierte Voigt die aktuelle Marschroute des Teams. «Möglichst stressfrei» will er seine Kapitäne in die Berge bringen. Von entspannter Vorbereitung auf den Jahreshöhepunkt konnte beim Team RadioShack in den vergangenen Wochen freilich keine Rede sein nach den internen Querelen, Verletzungen und massiven Doping-Vorwürfen gegen Teammanager Johan Bruyneel und Mannschaftsarzt Pedro Celaya.
Im Rückblick auf seine besonderen Frankreich-Erfahrungen bleiben die persönlichen Erfolge mit den Tagessiegen und den Glücksmomenten in Gelb, vor allem aber das Jahr 2008. «Ein Stück vom Gelben Trikot unseres Kapitäns Carlos Sastre gehört auch mir», sagte Voigt in Erinnerung an den Tour-Sieg des Spaniers.
Zu Erfahrungen, die eher zu vergessen sind, zählt die Kämpfernatur den großen Doping-Skandal von 1998 und seinen folgenschweren Sturz 2009 auf der Abfahrt vom kleinen Sankt Bernhard. Ein Jochbeinbruch und weitere Verletzungen hatten ihn zur Aufgabe gezwungen. Aber 48 Tage später stand das Stehaufmännchen schon wieder am Start in Missouri zum geglückten Comeback. Auf so ein Drama kann der Berliner verzichten, einmal ein Jahr ohne gröbere Unfälle «wäre doch ein schöner Bonus». Wie auch immer: Jens Voigt lässt sich nicht unterkriegen.