Combloux (dpa) - Mit einer Machtdemonstration am Mont Blanc hat Jonas Vingegaard einen riesigen Schritt zur erfolgreichen Titelverteidigung bei der Tour de France gemacht.
Zum Beginn der entscheidenden Woche hat der Däne seinem großen Rivalen Tadej Pogacar eine schwere Niederlage im Einzelzeitfahren zugefügt und das Gelbe Trikot eindrucksvoll verteidigt. Im Kampf gegen die Uhr am Dienstag auf der 16. Etappe in Combloux war Vingegaard schier unglaubliche 1:38 Minuten schneller als Pogacar auf nur 22,4 Kilometer und vergrößerte damit den Abstand auf den Slowenen von zehn Sekunden auf 1:48 Minuten. Vingegaard streift sich schon seit der sechsten Etappe das Gelbe Trikot über.
Vingegaard: «Das beste Zeitfahren, dass ich je gefahren bin»
«Ich habe mich großartig gefühlt. Das war das beste Zeitfahren, dass ich jemals gefahren bin. Ich bin sehr stolz, was ich geschafft habe», sagte Vingegaard. Von einer Vorentscheidung wollte sein Teamchef Richard Plugge noch nicht sprechen: «Die Tour ist erst entschieden, wenn der Bus mit Pogacar Richtung Slowenien abfährt.»
Enttäuscht zeigte sich Pogacar: «Heute hatte ich nichts mehr entgegenzusetzen. Es war nicht mehr bester Tag.» Trotzdem will er wieder angreifen: «Es ist noch nicht vorbei.»
Das muss er auch auf der sehr schwierigen Königsetappe am Mittwoch, die auf den 2304 Meter hohen Col de la Loze führt und schon einen Vorgeschmack auf den späteren Gesamtsieger geben dürfte.
Arndt bester Deutscher
Im einzigen Kampf gegen die Uhr bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt fuhr Vingegaard im Expresstempo auf der zum Schluss stark ansteigenden Strecke in den Alpen. Dabei war Pogacar gar nicht mal schlecht und hatte selbst einen großen Vorsprung auf den Dritten Wout van Aert (Belgien). «Das war extremst beeindruckend. Das Zeitfahren war vom anderen Stern», schwärmte Sportdirektor Rolf Aldag vom deutschen Bora-hansgrohe-Team. Bester Deutscher wurde Nikias Arndt.
Wie ein gewöhnliches Zeitfahren war die 22,4 Kilometer lange Strecke zwischen Passy und Combloux in den Alpen ohnehin nicht angelegt. Auf den ersten Kilometern ging es noch flach zu, doch zum Schluss standen anspruchsvolle 2,5 Kilometer mit durchschnittlich 9,4 Prozent Steigung an.
«Das war kein Zeitfahren für mich mit den beiden Anstiegen. Das war ein hartes Zeitfahren», sagte Nils Politt im Interview der ARD. Der Kölner präsentierte sich in seinem schwarz-rot-goldenen Trikot, das er vor wenigen Wochen als deutscher Zeitfahrmeister überreicht bekommen hatte. Zufrieden war er nicht: «Die Beine haben sich nicht gut angefühlt nach dem Ruhetag», fügte Politt hinzu.
Degenkolb stürzt
Für John Degenkolb lief es auch nicht so rund. Gleich in der ersten Kurve kam er zu Fall, der 34-Jährige machte aber weiter. «Es war offensichtlich ein bisschen rutschig. Bis auf ein paar Schürfwunden habe ich mir nicht viel getan», sagte er.
Beim Zeitfahren galt wie sonst auch: Das derzeit Beste kommt zum Schluss. So startete Pogacar auf seiner Zeitfahrmaschine um 16.58 Uhr, Vingegaard begann um 17.00 Uhr. Der Däne schoss pfeilschnell von der Rampe und fuhr ein enormes Tempo. An der zweiten Zeiterfassung lag er 31 Sekunden vor Pogacar. 5,6 Kilometer vor dem Ziel wechselte der Slowene von der Zeitfahrmaschine zum Bergrad, das kostete ihn wertvolle Zeit. Die beiden Ausnahmefahrer lieferten sich bislang einen großen und vor allem ausgeglichenen Zweikampf. Lediglich zehn Sekunden betrug der Abstand vor dem Zeitfahren.
Vor der Tour hatte Pogacar noch mit den Folgen eines Kahnbeinbruchs zu kämpfen. Der sei immer noch nicht vollständig ausgestanden, aber darum kümmere er sich nach der Rundfahrt, erklärte er und bekräftigte: «Die Beine sind gut, das ist das Wichtigste.»
Königsetappe steht bevor
Die wird der Slowene am Mittwoch brauchen. Dann steht für die Favoriten die Königsetappe zum Col de la Loze auf dem Programm. Die 17. Etappe, die mehr als 5000 Höhenmeter bereithält, könnte im Duell um den Gesamtsieg zwischen Vingegaard und Pogacar zu einer Vorentscheidung führen. Das Teilstück auf den 166 Kilometern zwischen Saint-Gervais Mont-Blanc und Courchevel gilt als eine der schwierigsten bei der Frankreich-Rundfahrt. Der qualvolle Weg auf den Alpen-Giganten geht über 28 Kilometer bei einer durchschnittlichen Steigung von sechs Prozent. «Mittwoch wird die härteste Etappe der Tour», sagte Pogacar.