Washington (dpa) - Einige Tage herrschte trügerische Ruhe - jetzt ist der Druck auf Lance Armstrong wieder erhöht worden. Der Ex-Radprofi sieht sich mit einer weiteren Schadensersatzforderung in Millionenhöhe konfrontiert.
Nach wochenlangem Zögern hat sich das US-Justizministerium einer Klage wegen Betrugs gegen den geständigen Doper angeschlossen. In der Klage wird Armstrong vorgeworfen, seinem langjährigen Sponsor US Postal Service, in dessen Diensten er von 1999 bis 2004 sechs einer sieben Tour-de-France-Titel gesammelt hatte, seine Doping-Praktiken verborgen zu haben. Im bevorstehenden Prozess wird neben Armstrong auch dessen langjähriger Teamchef Johan Bruyneel auf der Anklagebank sitzen.
Es geht um mehrere Millionen Dollar Regress, von denen auch Armstrongs ehemaliger Teamkollege Floyd Landis Floyd profitieren könnte. Der nach zahllosen Prozessen - vor seiner Wende zum Aussagewilligen - verschuldete Kronzeuge in den Doping-Ermittlungen gegen Armstrong hatte 2010 eine Betrugs-Klage eingereicht. Dieser Klage schloss sich das Ministerium nun an. Zuletzt hatten Armstrongs Anwälte mit der Regierung außergerichtlich verhandelt. Dabei ging es darum, wie viel Sponsorengelder Armstrong zurückzahlen solle.
Nach Auffassung seines Anwalts Robert Luskin seien die Gespräche gescheitert, weil «wir dem widersprechen, dass Postal Service geschädigt wurde». Wird Armstrong zur Zahlung verurteilt, bekäme auch Landis als Informant einen bis zu 30 Prozent hohen Anteil der erstrittenen Summe. Das sieht das amerikanische Whistleblower-Gesetz vor.
«Armstrong und sein Team haben auf der Grundlage vertraglicher Versprechen, fair zu sein und die Regeln gegen Doping zu beachten, mehr als 30 Millionen Dollar erhalten», begründete US-Bundesanwalt Ronald Machen die Klage-Gründe. «Im heutigen wirtschaftlichen Klima kann die Post Armstrong und anderen Beklagten nicht einfach erlauben, mit diesen zig Millionen Dollar davonzukommen, die sie sich auf nicht legitime Weise verschafft haben».
Der Verlust des Staatsunternehmens hat sich nach Informationen der «Welt am Sonntag» im zu Ende gegangenen Geschäftsjahr verdreifacht. Unter dem Strich stand ein Minus von umgerechnet 11,7 Millionen Euro. Deshalb werden an Samstagen in den USA keine Briefe mehr zugestellt. Die Armstrong-Anwälte behaupten, US Postal hätte durch das Radsport-Sponsoring mehr als 100 Millionen Dollar eingenommen.
Das US-Justizministerium hatte schon im Januar kurz vor Armstrongs Doping-Beichte in der Talkshow von Oprah Winfrey angekündigt, die Klage zu unterstützen. Der Amerikaner hatte eingestanden, sich von Mitte der 90er Jahre bis 2005 unter anderem mit EPO, Eigenblut, Kortison und Wachstumshormonen gedopt zu haben. Schon zuvor waren ihm all seine Tour-Siege aberkannt worden und er wurde lebenslang gesperrt.
Um diese Strafe zu reduzieren, müsste Armstrong über seine kalkulierte TV-Beichte hinausgehen und unter Eid entweder vor der US-Anti-Doping-Agentur USADA oder der Welt-Anti-Doping-Behörde WADA aussagen. Vor wenigen Tagen hatte Armstrong eine Zusammenarbeit mit der USADA unter ihrem charismatischen Chef Travis Tygart, der den Ex-Profi zu Fall gebracht hatte, abgelehnt.
Armstrong, dessen Vermögen auf rund 100 Millionen Dollar geschätzt wird, dürfte demnächst tief in die Tasche greifen müssen. Der Versicherungskonzern SCA Promotions hat ihn auf Rückzahlung von zwölf Millionen Dollar verklagt, die als Siegprämien für seine Tour-Erfolge gezahlt worden waren. Die britische Zeitung «Sunday Times» fordert 1,2 Millionen Dollar zurück. Zudem prüft die Vereinigung für einen glaubwürdigen Radsport, MPCC, eine Klage wegen Rufschädigung und Betrugs.