Berlin (dpa) - Außerhalb Spaniens rümpft so mancher die Nase. Aber rund um den Giro d'Italia und in seinem Heimatland wird Radprofi Alberto Contador als «Conquistador» - so das Veranstalter-Blatt «Gazzetta dello Sport» - groß gefeiert.
Wahrscheinlich war selten ein Rundfahrtsieg im Radsport so umstritten wie der zweite Giro-Erfolg des zierlichen Madrilenen. Wie lange sich Contador, der in Italien die gesamte Konkurrenz in Grund und Boden fuhr, über sein Rosa Trikot freuen kann, entscheidet der Internationale Sportgerichtshof CAS. Der wird nun doch erst wahrscheinlich Anfang September im Dopingfall gegen den 28-jährigen Spanier ein Urteil fällen: Eine Zweijahressperre und die Aberkennung aller Erfolge seit der positiven Clenbuterol-Analyse vom 21. Juli 2010 drohen. Contador bestreitet alle Doping-Vorwürfe.
Trotz des schwebenden Verfahrens beginnt nach Contadors Worten nach der großen Giro-Fete mit Familie und Freunden «ab Dienstag die Mission Tour de France». Das Double in einem Jahr, das zuletzt 1998 der inzwischen verstorbene Marco Pantani schaffte, sei «nicht unmöglich», stapelte der Spanier tief, der in dieser Form auch ab 2. Juli in Frankreich unschlagbar scheint. Sein neuer Teamchef Bjarne Riis, ein Meister am Regiepult, glaubt sogar, dass das Triple möglich wäre. Aber einen Start und möglichen Erfolg bei der Vuelta könnte ein CAS-Schuldspruch verhindern, obwohl nicht wenige Insider, zum Beispiel Erik Zabel, an einen Freispruch nach Vorbild des Tischtennis-Nationalspielers Dimitrij Ovtcharov glauben.
Contadors Erfolg bei der 94. Italien-Rundfahrt, die vom Unfalltod des Belgiers Wouter Weylandt überschattete wurde, war sein sechster Sieg in einer Länder-Tour. 2007, 2009 und 2010 gewann er die Tour de France, 2008 und 2011 den Giro, 2008 die Vuelta. «Diese Siege sind schwer zu vergleichen, aber körperlich habe ich mich noch sie so stark wie bei diesmal gefühlt», sagte der uneinholbare Contador einen Tag vor dem abschließenden Zeitfahren in Mailand.
Der Schlüssel zum Erfolg in dem wohl schwersten Giro der letzten Jahrzehnte war seine Konstanz. «Bei meinem ersten Etappensieg am Ätna war ich in guter Form und bin seitdem konstant geblieben. Viele andere waren an verschiedenen Stellen auch stark, aber nicht durchgehend», sagte der überragende Berg- und Zeitfahrer, der im Madrider Vorort Pinto groß wurde.
Der Rundfahrt-Chef Angelo Zomegnan ist offensichtlich ziemlich sicher, das Contador, der zu Beginn seiner Karriere ähnlich wie Lance Armstrong bei der Entfernung eines Aneuyrismas im Gehirn eine lebensbedrohliche Situation durchstehen musste, bei dieser Giro-Ausgabe «sauber» war. «Darauf weisen jedenfalls seine bisher vorliegenden Analysen hin. Was er vorher getan hat, und was er hinterher tut, ist allein seine Sache», sagte Zomegnan am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa.