Leeds/Berlin (dpa) - Kerngesund ist irgendwie anders. Christopher Froome, der sich am 27. Juli nach der größtmöglich denkbaren Anstrengung im Sport zum zweiten Mal zum Sieger der Tour de France krönen lassen will, verwaltet eine dicke Krankenakte.
2010 erkrankte der in Kenia geboren Radprofi an der Tropenkrankheit Bilharziose. Ein Saugwurm hatte sich in seiner Leber festgesetzt. 18 Monate später galt der spindeldürre Kletterkünstler als geheilt und setzte zu seinem Höhenflug im Radsport an: Zweiter bei der Vuelta 2011, zweiter bei der Tour 2012 und Triumphator in Paris im vergangenen Jahr.
Drei Tage vor dem Finale hatte er erklärt: «Ich habe meine Leistungsfähigkeit zurück, aber die Krankheit ist noch immer in meinem Körper». In dieser Saison hatte Froome zahlreiche gesundheitliche Rückschläge zu verdauen. Tirreno-Adriatico im März hatte er wegen einer Entzündung im Rücken absagen müssen. Auf Lüttich-Bastogne-Lüttich musste er im April wegen starker Atemprobleme verzichten - eine Bronchienerkrankung war Schuld.
In der Folge konnte Froome bei der Tour de Romandie in der Schweiz nur starten - und siegen - nachdem ihm mit einer Ausnahmegenehmigung die Verwendung eines kortekoidhaltigen Sprays gestattet worden war. Darum gab es zunächst hitzige Diskussionen, bis die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA klar gestellt hatte, dass der vom Briten Brian Cookson geleitete Weltverband UCI bei Erteilung des Ausnahme-Attests keine formellen Fehler begangen hatte.
Bei der Tour-Generalprobe Critérium du Dauphiné traf den Sky-Kapitän ein weiterer Schlag. Drei Tage vor Rundfahrt-Ende übersah er ein Loch im Asphalt und stürzte im Gelben Trikot. Er verletzte sich mit tiefen Risswunden am Knie, Ellenbogen und Gesäß und musste den sicher geglaubten Gesamtsieg noch abgeben. Jetzt fühlt er sich fit, berichtete er nach der medizinischen Untersuchung vor dem Start zur 101. Frankreich-Rundfahrt in Leeds/England.
Toursieg nach überwundenen, lebensbedrohenden Krankheiten: Dieses Motto gilt nicht nur bei Froome. Der ehemalige Seriensieger Lance Armstrong, dem wegen Dopings alle sieben Toursiege abgesprochen wurden, war 1996 an Hodenkrebs erkrankt. Nach erfolgreicher Therapie schwang er sich zu seinem damals umjubelten Husarenritt auf, unterstützt allerdings - wie im Nachhinein bewiesen wurde - durch illegale Medikamente.
Auch Alberto Contador stand an der Schwelle zum Tod. Bei der Asturien-Rundfahrt im Mai 2004 erlitt der zweifache Toursieger, dessen dritter Erfolg 2010 wegen Dopings aberkannt worden war, einen epileptischen Anfall und stürzte. Die Ärzte diagnostizierten bei ihm ein Kavernom im Gehirn, das operativ entfernt werden musste. Eine lange Narbe quer über den Kopf zeugt davon.