Brest (rad-net) - Rund dreieinhalb Monate nach dem Massensturz auf der ersten Etappe der diesjährigen Tour de France, steht für die Verursacherin des Vorfalls der Gerichtsprozess an. Laut einem Bericht von «Ouest France» soll die Zuschauerin am morgigen Donnerstag vor ein Strafgericht in Brest gestellt werden.
Die 31-jährige Angeklagte hatte bei der Auftaktetappe der Frankreich-Rundfahrt am Streckenrand gestanden, wo sie ein Pappschild mit der Aufschrift «Allez Opi-Omi» in die vorbeifahrende Kamera gehalten hatte. Dabei drehte die Frau jedoch dem heranrauschenden Peloton den Rücken zu, während das Schild auf Lenkerhöhe in die Straße ragte. Tony Martin fuhr daraufhin in das Hindernis hinein, verlor die Kontrolle über sein Rad und stürzte an der Spitze des Fahrerfelds, was wiederum viele weitere Fahrer zu Fall brachte.
Rennorganisator ASO kündigte direkt im Anschluss an das Rennen am 26. Juni an, die Zuschauerin für ihr Verhalten zur Rechenschaft ziehen zu wollen, woraufhin diese untertauchte. Später zog Renndirektor Christian Prudhomme die Anzeige jedoch zurück. Gleichzeitig begann die französische Polizei aber nach der Frau und nach Zeugen zu suchen, nachdem ein Verfahren gegen die Zuschauerin eingeleitet worden war. Vier Tage nach dem Aufruf über die sozialen Netzwerke stellte sich die Frau schließlich bei der Polizei.
Nun steht die Zuschauerin laut «Ouest France» morgen in zwei Anklagepunkten vor Gericht - zum einen wegen der «Gefährdung Dritter» und zum anderen der «Fahrlässigen Verletzung», die in der Arbeitsunfähigkeit für «maximal drei Monate» resultierte. Der französischen Sporttageszeitung «L'Equipe» zufolge erwartet die Frau dabei ein Mindeststrafmaß von 1500 Euro Strafzahlung, das bis zum Höchststrafmaß von 15.000 Euro und einem Jahr Freiheitsentzug ausgeweitet werden könnte.
Die Fahrervereinigung CPA hat bislang bekannt gegeben, von ihrer Anklage nicht mehr zurücktreten zu wollen. Laut einem Bericht der «AFP» soll Laura Mora, Generalsekretärin der CPA erklärt haben: «Das war eine wirklich unverantwortliche Aktion. Die Fahrer mussten sehr ernste Konsequenzen tragen. Wir sind nicht hier, um Geld zu verlangen, sondern um mehr Respekt und Verantwortung von der Öffentlichkeit zu fordern.»
«Der Schaden, den die Fahrer erlitten haben, ist physisch, moralisch und wirtschaftlich. Ein Athlet bereitet sich monatelang auf eine große Rundfahrt vor, und es ist nicht akzeptabel, dass all seine harte Arbeit, die seiner Familie, seiner Mitarbeiter und seines Teams, in einem Augenblick durch das Streben nach Popularität zerstört wird», kommentierte CPA-Präsident Gianni Bugno. «Wir sind sicher, dass die Zuschauerin niemanden absichtlich verletzen wollte, aber mit ihrer Nachlässigkeit hat sie die Gesundheit und die Saison von mehr als einem unserer Mitglieder gefährdet. Die von uns geforderte Entschädigung von einem Euro bezahlt weder für den Bruch beider Arme von Marc Soler noch für die Folgen, die Tony Martin und die anderen Fahrer erlitten haben, die am Boden gelandet sind, aber sie hat einen symbolischen Wert.»