Kopenhagen (dpa) - Bjarne Riis hat als erster Tour-de-France-Gewinner Medikamenten-Manipulation gestanden. In seinem Team-Hauptquartier in Kopenhagen gab der Toursieger von 1996 zu, in der Zeit von 1993 bis 1998 mit EPO, Kortison und Wachstumshormonen gedopt zu haben.
«Es war Teil meines Alltags.» Riis, der von 1995 bis zu seinem Karriereende 1998 beim Bonner Team Telekom fuhr, sprach in der über 75-minütigen Pressekonferenz vor mehr als 100 Journalisten nach eigener Aussage als «Privatmann». Anders als am Vortag Erik Zabel ließ Riis kaum Emotionen erkennen und wirkte bei seiner Beichte eiskalt und beherrscht. Er hätte keine «andere Wahl gehabt», als elfeinhalb Jahre zu lügen. Riis ist der siebte ehemalige Telekom-Profi nach Bert Dietz, Christian Henn, Udo Bölts, Rolf Aldag, Brian Holm und Zabel, der Doping zugegeben hat.
Ausdrücklich sagte der heute 43-jährige Teamchef des dänischen CSC-Rennstalls, für den auch der Berliner Radprofi Jens Voigt fährt, dass die ebenfalls geständigen damaligen Telekom-Teamärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid ihm die Präparate nicht verabreicht hätten. Zu möglichen Doping-Verfehlungen seines ehemaligen Team- Kollegen Jan Ullrich sagte er: «Ich habe keinen Beweis, ob Jan gedopt hat. Das muss er selber beantworten. Ich glaube nicht, dass Jan wusste, dass ich gedopt habe. Dopen war bei mir eine Privatsache. Er soll jetzt tun, was für ihn das Beste ist».
Ullrichs ehemaliger Team-Kapitän bezichtigte den damaligen Teammanager Walter Godefroot der Mitwisserschaft: «Godefroot war auf einem Auge blind.» Laut Riis muss der mittlerweile 64-jährige Belgier mitgekriegt haben, dass im Team gedopt wurde.
«Ich habe mir die Mittel selbst besorgt. Die Freiburger Ärzte haben das überwacht und darauf geachtet, dass bestimmte Dinge nicht überhand nahmen», sagte Riis, der nicht weiß, ob er den Titel «Toursieger 1996» behalten kann. «Mein gelbes Trikot liegt zu Hause im Pappkarton in der Garage. Wenn Ihr es holen wollt, bitteschön», erklärte der in einen dunklen Anzug gekleidete, erste dänische Sieger in der 104-jährigen Geschichte des wichtigsten Radrennens der Welt.
«Normalerweis müsste ihm der Sieg aberkannt werden, aber wir müssen erst unsere Anwälte konsultieren», sagte Enrico Carpani, Sprecher des Welt-Radsport-Verbandes (UCI), der für die Annullierung zuständig wäre. «Man hätte mir den Sieg aberkennen müssen. Wenn sie das jetzt tun wollen - bitte. Der Karton in meiner Garage ist sehr handlich», führte Riis weiter aus.
Vor seinem Geständnis hatte sich der Däne Rückendeckung seines Sponsors CSC geholt. Der garantierte den Fortbestand des Teams, «egal, was Riis aus der Vergangenheit beichtet». In der Gegenwart sieht sich Riis und sein Team über jeden Zweifel erhaben. «Mein Team ist sauber. Heute herrschen einwandfreie Bedingungen. Die Dinge haben sich radikal geändert und ich bin ein Teil dieser Änderung. Ich habe das heute auch für mein Team getan. Es braucht mich. Damit ich alle Energie auf mein Team legen kann, muss ich die Vergangenheit hinter mich bringen», sagte Riis, der seine Familie immer über seine Dopingpraxis informiert hatte.
Riis hatte sich den Spitznamen «Mister 60 Prozent» 1996 bei seinem ein Jahr vorher angekündigten Tour-Sieg hart erkämpft. Der ehemalige Telekom-Masseur Jef d'Hont hatte in seinem Enthüllungs-Buch über offensichtlich Flächen deckendes Doping im Telekom-Team in Sachen Riis präzisiert: 64 Prozent hätte der Hämatokritwert des damaligen Telekom-Stars aus Herning betragen. Eine absolut lebensbedrohende Marke, die den Anteil der roten, Sauerstoff transportierende Blutkörperchen angibt.
Riis widersprach dieser Version: «Ich hatte niemals einen Hämatokrit von 64 und hatte auch keine Gicht, wie d'Hont schrieb. Ich war nicht ständig zugestopft mit Doping. Der Hämatokrit war hoch genug, um zu gewinnen. Er war über 50 Prozent.»