Arenberg (dpa) - Ein bisschen Streik, ein wenig Solidarität, viel böses Blut im Ziel: Die Bummeletappe der Tour de France durch Belgien, die erneut durch fast unheimliche Sturzserien geprägt war, erhitzte die Gemüter im Kur- und Heilbad Spa.
Fabian Cancellara war der große Chef im Peloton und verordnete sich und seinen Kollegen den Schongang. «Aus Respekt», wie der Schweizer Radprofi sagte, vor den Gestürzten und Hinterherstrampelnden. Auf der glitschigen Abfahrt von der Cote de Stockau waren die Schleck-Brüder aus seinem Saxo-Bank-Team, Lance Armstrong, Alberto Contador, Cadel Evans und viele andere mit Blessuren im Graben gelandet.
Einige Fahrer und Teamleiter waren nicht einverstanden mit der «Aktion Schneckentempo», für die sich Cancellara das Okay der Rennleitung und das Einverständnis von Tony Martin geholt hatte. «Es gab anfangs Unstimmigkeiten mit Teams, die weiterfahren wollten, weil viele gefährliche Fahrer vorne dabei waren. Am Ende haben sie aber mit Verstand gehandelt und auch vorne angehalten», sagte Titelverteidiger Contador.
Das gesamte Feld trudelte hinter dem Solosieger und neuen Träger des Gelben Trikots, Sylvain Chavanel aus Frankreich, geschlossen ins Ziel. «Das war eine Unverschämtheit. Wird demnächst die Tour abgebrochen, wenn es im Juli regnet? Cancellara ist ein Fahrer wie jeder andere, was fällt ihm ein», erregte sich der Norweger Thor Hushovd, der sich um wertvolle Punkte im Kampf um das Grüne Trikot bei der 97. Tour de France geprellt sah.
Die Jury vergab nämlich nur Punkte an den Ersten. «Ich war nicht einverstanden mit der Entscheidung der Fahrer. Was ist mit dem Respekt vor den Zuschauern oder Sponsoren - die sind unsere Kunden», wetterte Milram-Chef Gerry van Gerwen, der weiter händeringend einen neuen Finanzier für 2011 sucht.
Das Gentlemen-Agreement der Großen, die sich sonst mit einem Höllentempo auf dem Rad, Psycho-Tricks und allerlei Kniffen bis aufs Blut bekämpfen, war auch eine Machtdemonstration und eine Ohrfeige für die Tour-Organisatoren. Denn nicht zu Unrecht hatten die Profis schon lange vor dem Start die brutale Streckenführung gerade zu Beginn der 97. Frankreich-Rundfahrt moniert.
Im gefährlichen Zielbereich von Brüssel ereigneten sich drei Massenstürze auf 2200 Metern. Die verregnete Fahrt durch die Ardennen glich zum Teil einem Ausflug auf spiegelblankem Eis. «Es war wie Schlittschuhlaufen», schilderte Armstrong die Abfahrten von insgesamt sechs Anstiegen. Auch der Seriensieger fand sich im chaotischen Finale in einer hinteren Gruppe wieder, die Dank der Tempodrosselung vorne wieder den Anschluss fand.
Besonders bitter verlief die 2. Etappe für das US-Team Garmin-Transitions: Top-Sprinter Tyler Farrar brach sich das Handgelenk, stand aber trotzdem am Start zur 3. Etappe, die mit den gefürchteten Kopfsteinpflaster-Passagen in Nordfrankreich wieder Angst und Schrecken einjagte. Dagegen musste Kapitän Christian Vande Velde mit Rippenbrüchen aussteigen. Glimpflicher lief das Sturzfestival für die Schlecks ab, die das Rennen mit Schürfwunden und Prellungen fortsetzen konnten.