Sanremo (rad-net/dpa) - Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) hat den Sieg bei Mailand-Sanremo eingefahren. Nach einer Attacke auf den letzten Metern konnte sich der Belgier vor Vorjahressieger Wout van Aert (Jumbo-Visma) und Caleb Ewan (Lotto-Soudal) behaupten.
Es dauerte fast schon ungewöhnlich lange, bis eine Vorentscheidung bei dem knapp 300 Kilometer langen Klassiker fiel. Nach dem Start wurde erst einmal eine achtköpfige Ausreißergruppen fahren gelassen, die bis zu acht Minuten Vorsprung herausholten. Im Feld kontrollierten diverse Mannschaften das Tempo.
Als es in Richtung Cipressa und Poggio ging - den beiden traditionellen Scharfrichtern von Mailand-Sanremo - zerfiel die Gruppe an der Spitze des Rennens allmählich und der Abstand zum Hauptfeld sank auf unter eine Minute. Bevor es 27 Kilometer vor dem Ziel in die Cipressa ging, gab es Positionskämpfe im Peloton wie vor einer Massenankunft und entsprechend hoch war das Tempo. Es dauerte jedoch etwa bis zur Hälfte des Anstieges, ehe mit Taco van der Hoorn (Intermarché-Wanty-Gobert Matériaux) der letzte Ausreißer eingeholt werden konnte.
Aber das Tempo war auch nicht so hoch, dass es viele Fahrer in Bedrängnis brachte. Herausfordernder war da die Abfahrt: Ineos Grenadiers hatte die Spitze im Feld übernommen und machte kräftig Tempo. Dadurch zerteilte sich das Peloton und nur noch rund 30 Fahrer blieben vorne. Auf der Ebenen zwischen Cipressa und Poggio lief das Rennen aber wieder zusammen. Am Poggio dezimierte sich das Feld aber zusehends. War es zunächst weiter das Team Ineos Grenadiers, welches das Tempo bestimmte, übernahm dann Jumbo-Visma.
6,5 Kilometer vor dem Ziel, kurz vor dem Gipfel, attackierte Weltmeister Julian Alaphilippe (Deceuninck-Quick Step). Van Aert sprang sofort an das Hinterrad des Franzosen. Einige weitere Fahrer - darunter Maximilian Schachmann (Bora-hansgrohe), Mathieu van der Poel (Alpecin-Fenix), Caleb Ewan (Lotto-Soudal), Tom Pidcock (Ineos Grenadiers) aber auch Stuyen und Soren Kragh Andersen (DSM) - konnten noch aufschließen und bildeten eine rund 15 Fahrer starke Spitzengruppe.
Zwischenzeitlich versuchte Pidcock seine Kontrahenten bergab mit seinen Abfahrtkünsten unter Druck zu setzen, doch schon auf der Abfahrt vom Poggio begannen sich die Rennfahrer zu belauern. Diese Situation nutzte Stuyven 2,5 Kilometer vor dem Ziel und griff an. Schnell hatte der Belgier ein Loch. Es dauerte einen Kilometer bis Kragh Andersen nachsetzte und noch den Sprung nach vorne schaffte, während die restlichen Verfolger sich immer noch nicht richtig einig waren.
Die beiden Ausreißer kämpften um jeden Meter. Kragh Andersen verließen auf den letzten Metern die Kräfte. Hinter dem Duo hatten Van der Poel und Ewan bereits den Sprint eröffnet, und überholten den Dänen. Doch Stuyven konnte noch einmal alles mobilisieren und zum Sieg spurten. Ewan und Van Aert mussten sich mit den Plätzen zwei und drei zufrieden geben. «Ich kann nicht beschreiben, was ich fühle. Das ist der größte Sieg meiner Karriere», sagte Stuyven, der für 2021 hauptsächlich die Heim-WM in der Region Flandern im Visier hatte. Mit Maske, Blumen und einer großen Flasche Champagner genoss er auf dem Siegerpodest seinen Triumph.
Schachmann wurde als bester Deutscher bei seinem Mailand-Sanremo-Debüt 14. Sein Rennstall Bora-hansgrohe hatte in ihm, dem dreimaligen Weltmeister Peter Sagan und Sprinter Pascal Ackermann am Ende noch drei Fahrer im Kampf um den Sieg. Doch Schachmann und Sagan (Rang vier) fehlten am Ende die nötige Sprintfähigkeit auf den letzten 1000 Metern. «Irgendwie war das ein bittersüßes Rennen. Ich freue mich, dass meine Form langsam zurückkommt, auch wenn noch viel Arbeit vor mir liegt. Auf der anderen Seite bin ich enttäuscht, denn wieder einmal hab ich in Sanremo eine Chance auf den Sieg verpasst», sagte Sagan, dem ein Triumph bei dem Monument noch fehlt.
Und der Weltklasse-Sprinter Ackermann, der dieses Tempo zweifellos gehabt hätte, war bei der Vorentscheidung am Poggio zu weit zurückgefallen. Für den Pfälzer reichte es am Ende zu Platz 20. «Wir können mit dem Rennen heute zufrieden sein, denn im Finale hatten wir Max, Peter und Pascal noch vorne dabei», sagte der Sportliche Leiter Enrico Poitschke. Man sei mit dem Resultat «happy», fügte er an.