Berlin (dpa) - Dem Radsport-Weltverband UCI mit seinem aktuellen Chef Pat McQuaid und dem Ehren-Präsidenten Hein Verbruggen stehen stürmische Zeiten ins Haus.
Dabei droht der UCI wahrscheinlich mehr Gefahr durch die eingereichte Klage des Ex-Profis und Journalisten Paul Kimmage als durch eine Untersuchungskommission, deren Zusammensetzung der Verband beeinflussen könnte. Mitte der kommenden Woche soll die Organisation benannt werden, die die Mitglieder des Untersuchungsgremiums aussuchen soll. Das bestätigte UCI-Sprecher Enrico Carpani.
Unterdessen kündigte die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA an, keinen Einspruch gegen die Aberkennung der sieben Tour-de-France-Titel von Lance Armstrong durch die US-Anti-Doping-Agentur USADA einzulegen. Die WADA erwarte «mit beträchtlichem Interesse die Details der geplanten unabhängigen Untersuchung» durch die UCI, sagte Präsident John Fahey. Nur mit der notwendigen Unabhängigkeit könne die Untersuchung die systematische Kultur des Dopings angehen. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) forderte am Freitag weitere Aufklärung und die Einrichtung einer weiteren unabhängigen Kommission.
«Der UCI droht Ungemach», vermutet indes der Mainzer Sportrechtler Siegfried Fröhlich in der Causa Kimmage. «Wenn sich die UCI unter ihrem Präsidenten McQuaid in einem Prozess nach der Klage durch Paul Kimmage entlasten muss - dann Gnade Gott dem Verband», sagte der Jurist am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Fröhlich rechnet mit einem Verfahren in der Schweiz: «Wenn die Klage gut begründet ist - und davon gehe ich aus - wird es sicher zu einem Prozess kommen, in dem auch die Grundlagen der Vorwürfe überprüft werden.»
Der Ex-Profi und ehemalige Tour-de-France-Teilnehmer Kimmage hatte in Vevey in der Schweiz, wo die UCI ihren Sitz hat, eine Klage gegen McQuaid und dessen Vorgänger Verbruggen eingereicht. Wie der Kimmage-Anwalt Cedric Aguet mitteilte, soll gegen die umstrittenen Funktionäre «wegen Rufmords, Verunglimpfung und starkem Betrugsverdacht» vorgegangen werden.
Die UCI hatte im Zuge der Bestrafung des einstigen Tour-Seriensiegers Armstrong angekündigt, ihre Klage gegen Kimmage zurückzuziehen. Der streitbare Ire, für den Sympathisanten für die Kosten der Verteidigung nach der UCI-Klage bereits 85 000 Dollar gesammelt hatten, hatte den Verband der Korruption bezichtigt.
Laut Fröhlich würden in einem Verfahren Kimmage contra UCI-Spitze wahrscheinlich auch die Korruptionsvorwürfe in Zusammenhang mit den Zahlungen des inzwischen wegen Dopings lebenslang gesperrten Armstrong an die UCI in Gesamthöhe von 125 000 Dollar zur Sprache kommen.
Die von der UCI angekündigte Bildung einer «unabhängigen Kommission», die die Rolle des Verbandes vor dem Hintergrund der jahrelang unentdeckten Doping-Praktiken Armstrongs untersuchen soll, hält Fröhlich für eine «Alibi-Veranstaltung». Er gehe davon aus, dass nur dem Verband genehme Personen darin vertreten sein werden, es sei denn, das Gremium würde von außen berufen. Dafür käme laut Fröhlich beispielsweise die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International infrage.
Nach wie vor ist unklar, wer die internen Untersuchungen gegen den Verband leiten soll. In der Vorwoche hatte die Transparency-Sportbeauftragte Sylvia Schenk angeregt, «einen ehemaligen Politiker mit hoher Reputation, Sponsoren- Verbands- und Teamvertreter, Juristen, Mediziner sowie eine Radsportlerin» in die Untersuchungsgruppe zu delegieren.
Fröhlich bleibt allerdings skeptisch. «Ein Verband, der so tief im Morast steckt, wird niemals eine glaubwürdige Selbstreinigung betreiben können», meinte der Sportrechtler, der forderte: «Es muss Tabula rasa bei den Personen an der Verbandsspitze gemacht und ein Konzept für die Zeit danach präsentiert werden.» Fröhlich: «Vielleicht wäre es das Beste, einen Gegenverband zu gründen.»