Rivoli (dpa) - Irgendwie ist es für Anton Palzer immer noch ein Traum, mit Stars wie Geraint Thomas oder Primoz Roglic beim Giro d'Italia an der Startlinie zu stehen. Keine drei Jahre ist es her, da stapfte der Bayer auf Skiern noch die Berge hoch, und das sogar recht erfolgreich.
Als Skibergsteiger sammelte Palzer viele Erfolge, wurde sogar Vize-Weltmeister. Bis sich eines Tages Teamchef Ralph Denk vom Bora-hansgrohe-Rennstall mit einer verrückten Idee meldete und ihm einen Wechsel zum Radsport schmackhaft machte.
Aus der verrückten Idee wurde Realität. Palzer ist längst angekommen im Radsport und als Helfer im Team um den deutschen Hoffnungsträger Lennard Kämna erstmals beim Giro dabei. «Schick den Christopher Froome zu einem Skirennen oder sag ihm, er soll unter drei Stunden über den Watzmann laufen. Das wird nicht funktionieren in ein bis zwei Jahren. Von daher bin ich super happy mit meinem Prozess», sagt Palzer, der aber «ganz viele Steine» aus dem Weg räumen musste. «Wenn man mit 0,0 Prozent Radsport-Erfahrung gleich in der Champions League einsteigt, ist das nicht leicht.»
Basics mussten geübt werden
Die körperlichen Voraussetzungen brachte er dabei durchaus mit, aber der Rest... «Ich habe das miterlebt, was wir am Anfang mit ihm geübt haben: Flaschen annehmen, bei Seitenwind eine Regenjacke anziehen, freihändig fahren. Das waren die Basics», erinnert sich Denk und fügt hinzu: «Über das Funkgerät sprechen, sich sieben Flaschen unter das Trikot schieben. Das war ja alles Neuland für ihn. Dass er es hierhin geschafft hat, ist schon beeindruckend. Ganz großes Kino.»
Denk hatte 2017 in einem ARD-Bericht Palzers Sieg bei einem Skibergsteiger-Weltcup in China gesehen und den Extremsportler daraufhin zu einem Trainingslager eingeladen. Vor allem die Tatsache, dass es Palzer bei der maximalen Sauerstoffaufnahme auf Skiern auf den enormen Wert von 92 brachte, hatte den Manager beeindruckt. Und der Quereinsteiger enttäuschte nicht. «Ob irgendwann noch die Siege kommen werden, ist ein Blick in die Glaskugel», ergänzte Denk.
Neben Palzer haben schon einige Sportler den Wechsel zum Radsport gewagt - und auch geschafft. Prominentestes Beispiel ist Roglic, der einstige Skispringer. Palzers Landsmann Jason Osborne kommt vom Rudern, wo er einst den Weltmeistertitel gewann. Jüngst bestritt er seinen ersten Frühjahrsklassiker bei Lüttich-Bastogne-Lüttich.
Unterschiedliche Disziplinen
Vergleiche der beiden Sportarten findet Palzer schwierig. «Für mich ist Radsport härter, weil ich das Skifahren gelernt habe. Es sind unterschiedliche Disziplinen. Der Radsport ist sehr taktisch geprägt, was das Skibergsteigen nicht ist. Das Skibergsteigen ist auf jeden Fall technischer», sagt der 30-Jährige.
Bei der Vuelta ist der Ramsauer vor zwei Jahren schon einmal eine dreiwöchige Rundfahrt gefahren. «Ich war komplett unerfahren. Ich war ja koan Radlprofi. Dem Team konnte ich ganz wenig helfen, weil ich fünf Monate vorher mein erstes Radrennen gefahren bin. Es war, als ob du ein kleines Baby ins Wasser schmeißt. Schwimm oder geh unter.»
Palzer ist nicht untergegangen und soll nun Kämna in der schweren dritten Giro-Woche helfen, einen Top-Ten-Platz zu sichern. Das Terrain ist ihm dabei bekannt. «Wenn ich an die 19. Etappe denke, da habe ich mal den Drei-Zinnen-Lauf gewonnen, was einer der größten Bergläufe ist. Jetzt fahre ich da mit dem Rad hoch», so Palzer, der eigene Ambitionen hinten anstellt. Und wenn Rom erreicht ist, darf über die Zukunft gesprochen werden, denn sein Vertrag läuft aus. Aber Teamchef Denk macht ihm Hoffnung: «Ich habe noch keine Argumente, dass es nicht weitergeht.»