Orléans (rad-net) - Die französische Fahrerin Marion Sicot hat sich über die fehlende Transparenz seitens der UCI in Missbrauchsfällen beschwert. In einem Brief an den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) appellierte die 28-Jährige, die Klägerinnen und Kläger künftig in die Prozesse stärker einzubeziehen und nicht über den Verlauf der Klage im Dunkeln zu lassen.
Der Appell folgte jetzt auf die beiden Prozesse um den ehemaligen Teammanager von Health Mate, Patrick van Gansen, und Doltcini-Van Eyck-Manager Marc Bracke, die wegen Missbrauchsvorwürfen vor der Ethik-Kommission der UCI stehen. Während Van Gansen bereits für schuldig befunden und eine teilweise rückwirkende Suspendierung über zwei Jahre und sieben Monate erhalten hat, steht das Urteil der Ethik-Kommission im Fall Bracke noch aus, wobei er bereits ebenfalls als schuldig befunden wurde, den Ethik-Kodex der UCI durch sexuelle Belästigung seiner Fahrerinnen verletzt zu haben.
Sicot hatte im vergangenen März Klage gegen ihren Ex-Manager Bracke eingereicht, in der sie ihn wegen sexueller Belästigung, Diskriminierung, Vertragsverletzung und Betrugs anzeigte. Im Jahr zuvor hatte auch Sara Youmans bereits Klage gegen den Manager eingereicht, nachdem dieser bei Vertragsverhandlungen mit der 25-Jährigen unangemessenes Verhalten an den Tag gelegt hatte. Beide Fahrerinnen berichteten von der Aufforderung des Managers, ihm Fotos in Unterwäsche oder im Bikini zukommen zu lassen, wobei er im Fall Youmans hinzugefügt habe: «Sei nicht schüchtern... Das ist der Beginn einer Beziehung mit Vertrauen.»
Mit dem Voranschreiten des Prozesses hat sich Sicot jetzt darüber beschwert, dass sie über den Verlauf ihrer Klage von der UCI im Dunkeln gelassen wurde. «Die UCI kommuniziert mit den Opfern grundsätzlich über Pressemitteilungen. Das ist inakzeptabel und wir waren daher gezwungen, in dieser Angelegenheit vor dem internationalen Sportgerichtshof in Berufung zu gehen», erklärte ihre Anwältin Dr. Madalina Diaconu. «Wir hoffen jedoch wirklich, dass die UCI ihre Standards revidiert und den Opfern eine echte Möglichkeit gibt, sich an den Gerichtsverfahren zu beteiligen. Es ist einfach eine Frage des Respekts für die Grundrechte.»
Dabei bezog sich die Anwältin vor allem auf den Artikel 21 des Ethik-Kodex der UCI, in dem es bislang heißt: «Jede Person kann sich mit einer Beschwerde oder einer Anzeige wegen eines angeblichen Verstoßes gegen den Kodex an die Ethik-Kommission wenden. Das Sekretariat bestätigt den Eingang der Beschwerde oder der Anzeige, wobei die einreichende Person keinen Anspruch auf die Eröffnung eines Verfahrens, die Teilnahme am Verfahren oder die Unterrichtung über eine getroffene Entscheidung hat. [...] Nur die Personen, denen ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Kodex vorgeworfen wird und gegen die ein Verfahren eingeleitet wurde, gelten als Parteien vor der Ethikkommission.»
Laut Diaconu widerspreche der Artikel 21 des UCI-Kodex damit dem Artikel 6 der europäischen Menschenrechtsverordnung, sowie dem Artikel 29 der schweizerischen Verfassung, die dem Opfer beziehungsweise Kläger das Recht zuspricht, über den Fortschritt des Prozesses und jegliche Urteile und Entscheidungen des Gerichts informiert zu werden. Dieses Recht fordere sie nun auch für ihre Mandantin und alle künftigen Klagen ein: «In der Pressemitteilung [zur Sanktionierung von Patrick Van Gansen, Anm. d. Red.] versprach die UCI, Schlussfolgerungen aus vergangenen und anhängigen Verfahren zu ziehen, um ihre Regeln zu überarbeiten und die Radfahrer besser zu schützen. Wir hoffen, dass solche Änderungen Artikel 21 des UCI-Ethikkodex einschließen werden, der derzeit die Opfer von den Verfahren ausschließt und sie völlig im Unklaren über das Schicksal ihrer Beschwerden lässt.»
Die UCI reagierte bislang nicht auf den Appell seitens Sicot an den Internationalen Sportgerichtshof.