Madrid (dpa) - Superstar Alberto Contador hat den Radsport zurück in den Dopingsumpf gestürzt: Der spanische Tour-de-France-Sieger ist bei einer Kontrolle während der Frankreich-Rundfahrt 2010 positiv auf die verbotene Substanz Clenbuterol getestet und vom Weltverband UCI vorläufig gesperrt worden.
In einer ersten veröffentlichten Erklärung teilte der 27-Jährige mit, eine Lebensmittelverunreinigung sei die einzige Möglichkeit für das positive Ergebnis. Sollte Contador seinen Tour-Titel verlieren, wäre er nach dem US-Amerikaner Floyd Landis 2006 bereits der zweite Tour-Champion, dem der Triumph nachträglich aberkannt wird.
Der iberische Radheld hat seine Saison bereits beendet und präsentierte in seiner Heimat im Madrider Arbeitervorort Pinto seine Verteidigungsstrategie. Verseuchtes Fleisch sei eine mögliche Ursache. «Die positive Probe ist ein echter Fehler.» Dies sei ein Sonderfall und habe mit anderen Dopingfällen nichts zu tun. «Ich denke, dass die Sache sich eindeutig klären und die Wahrheit ans Licht kommen wird», betonte der Spanier.
Die bei ihm festgestellte Dosis der verbotenen Substanz Clenbuterol sei extrem niedrig gewesen. Daher sei es ausgeschlossen, dass es sich um Doping handele, beteuerte er. «Die bei mir festgestellte Menge war so minimal, dass sie absolut keine Wirkung hatte.» Er habe das Fleisch an einem Ruhetag während der Tour zusammen mit einer Gruppe anderer Fahrer gegessen. Er sei als einziger anschließend aus dieser Gruppe zu einer Dopingprobe zitiert worden. Daher sei auch nur bei ihm die verbotene Substanz festgestellt worden.
Am 24. August habe er vom positiven Test erfahren, sagte Contador. Die Urinprobe, die zum positiven Resultat führte, wurde am 21. Juli, dem zweiten Ruhetag der diesjährigen Tour de France, entnommen, bestätigte die UCI am Rande der WM im australischen Geelong. Das Dopinglabor in Köln habe «eine sehr geringe Konzentration» des Clenbuterols, nur 50 Picogramm (0,000 000 000 05 Gramm pro Milliliter), gefunden.
Die UCI erklärte weiter, der Fall verlange wissenschaftliche Untersuchungen, bevor Schlussfolgerungen gezogen werden könnten. Diese Untersuchungen würden Zeit brauchen. Laut ARD wusste die UCI seit zwei Monaten von dem Vorfall. Wilhelm Schänzer, Leiter des Kölner Doping-Labors, wollte sich am Donnerstag dazu nicht äußern. Contador droht eine zweijährige Sperre.
Selbst die geringste Clenbuterol-Konzentration würde für Sanktionen ausreichen, stellte unterdessen David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), klar. «Das ist keine Substanz, bei der es einen Grenzwert gibt», sagte Howman. «Clenbuterol wird seit mehr als 20 bis 30 Jahren verwendet. Das ist nichts Neues. Niemand hat jemals gesagt, man kann es unbeabsichtigt zu sich nehmen.»
Der spektakuläre Fall des derzeit erfolgreichsten Profis macht sämtliche UCI-Versuche, mit intensivierten Testmaßnahmen und Millionen-Ausgaben das Skandalimage loszuwerden, mit einem Schlag zunichte. Nach der vermeintlich dopingfreien Tour 2009, dem Giro 2010 und der Vuelta 2010 ohne Doping-Schlagzeilen hält bereits das aufsehenerregende Ermittlungsverfahren in den USA gegen den siebenmaligen Tour-Sieger Lance Armstrong den Radsport in Atem.
Erst in der vergangenen Woche hatte sogar IOC-Präsident Jacques Rogge den Radsport als einen internationalen Verband gelobt, der «das meiste» im Anti-Doping-Kampf leiste. Wenn man Radsport einfach von Olympia verbanne, betonte der belgische Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), würde man «das Kind mit dem Bade ausschütten». Radsport habe einen festen Platz bei Olympia.
Der Vize-Weltmeister im Zeitfahren, David Millar, der wegen EPO- Dopings selbst zwei Jahre gesperrt war, prophezeite: «Contador hat große Chancen, ein Urteil zu bekommen im Zweifel für den Angeklagten, weil die positive Analyse schwer nachvollziehbar ist.» Contador sei im Gelben Trikot jeden Tag getestet worden «und nur einmal positiv. Das ist schwer verständlich», sagte der Schotte. Ähnlich stellte Contador die Thematik in seinem ersten Kommuniqué dar. Befragte Experten hielten eine Kontamination durch Lebensmittel ebenfalls für ursächlich. Vor allem, wenn man die Häufigkeit von Dopingtests während der Tour in Betracht ziehe. Andere Experten bezweifeln jedoch diese Begründung.
Der spanische Radheld hatte die Tour mit einem Vorsprung von nur 39 Sekunden vor dem Luxemburger Andy Schleck gewonnen. Dabei musste er weltweit viel Kritik einstecken, da er seinem Konkurrenten genau diesen Zeitvorteil mit einer zweifelhaften Attacke während eines technischen Defekts abgenommen hatte. Im August verließ er das Team Astana und unterschrieb einen Zwei-Jahres-Vertrag beim Saxo Bank-Sun Guard-Team. «Scheiß unglücklich», kommentierte sein neuer Teamchef Bjarne Riis, der selbst zugegeben hatt, bei seinem Toursieg 1996 gedopt gewesen zu sein. Jetzt könnte der Däne 2011 ohne Topfahrer dastehen.