Frankfurt (rad-net) - Rudolf Scharping sieht den Radsport in einer lebensbedrohlichen Krise. Im Gespräch mit rad-net äußerte sich der Präsident des Bund Deutscher Radfahrer heute zu den Reaktionen des Publikums und seinen Gedanken zur Zukunft des Radsports in
Deutschland.
Frage: "Wie reagiert eigentlich das Publikum nach den Doping-Beichten?
Rudolf Scharping: "Die Reaktion des Publikums ist sehr ermutigend. Gerade bei den Neuseen Classics waren trotz regnerischen Wetters und kalten Temperaturen unglaublich viele Leute an der Strecke. Ein neuer Rekord und eine prima Stimmung. Mich hat das überrascht, gefreut und ein wenig auch gewundert. Beim Jedermannrennen waren fast 2500 Teilnehmer dabei, auch ein neuer Rekord und ein Beweis, dass wir mit der T-Mobile Cycling Tour richtig liegen. Die wird nämlich einhellig
gelobt."
Frage: "Halten Sie das alles wirklich für repräsentativ?"
Rudolf Scharping: "Ich bin da vorsichtig, aber schon in Rheinland-Pfalz habe ich eine ähnliche Stimmung gespürt. Jetzt bin auf die Bayern-Rundfahrt gespannt aber ich denke schon, dass unsere Fans und die ambitionierten Hobbysportler, und das sind ja rund acht Millionen, sehr treu und engagiert bleiben."
Frage: "Aber Sie werden doch nicht behaupten, dass die aktuelle Lage so rosig ist."
Rudolf Scharping: "Nein, im Gegenteil. Der Radsport ist im Bereich Straße in einer lebensbedrohlichen Krise - viel schlimmer, als ich es mir jemals hätte vorstellen können und ebenso gravierend wie im Sommer des vergangenen Jahres. Aber ich baue auf die breite Verwurzelung und die faszinierende Vielfalt des Radsports. Es ist klar: wir müssen unsere Vereine, unsere Jugend- und Nachwuchsarbeit und das Ehrenamt schützen vor den fatalen Folgen, die dieser Mist aus dem Profistraßensport bedeutet. Und wir müssen die sauberen Sportler vor einem fatalen Generalverdacht schützen. Das alles kann nur gelingen, wenn wir hart und konsequent das Haus des Radsports säubern - einige wollen dieses Gebäude offenbar abfackeln und dagegen muss man sich
wehren."
Frage: "Aber es gibt doch auch Vorwürfe wegen der Amateure oder den U23?"
Rudolf Scharping: "Das stimmt und ist besonders traurig. Den Verbandsarzt Dr. Huber haben wir suspendiert, sofort. Mit dem betroffenen Trainer werde ich schnell reden, wohl am Mittwoch dieser Woche. Und wir werden noch etwas tun: alle Lizenzinhaber im Profisport, alle Kaderathleten, auch die Trainer, die Mediziner und alle anderen müssen uns in kurzer Frist sagen, was sie wissen. Ich kann und will keine Konsequenz ausschließen, weder eine sportrechtliche Konsequenz noch eine
arbeitsrechtliche."
Frage: "Kein Pardon also?"
Rudolf Scharping: "Alles muss auf den Tisch. Nur dann kann man bewerten. Und Pardon? Jedenfalls wird es keine Generalamnestie geben, aber eben auch keine pauschale Verurteilung. Wir können beim BDR schon richtig einordnen, ob sich jemand in die Büsche schlagen will oder ob jemand mithilft aufzuklären. Auf dieser Grundlage ist es wohl gerecht, den einzelnen Fall zu prüfen und zu
bewerten.
"Frage: "Wie gehen Sie selbst mit dem Stress um? Fühlen Sie selbst sich
betrogen?"
Rudolf Scharping: "Schon, in gewisser Weise. Aber Stress? Nein, eigentlich nicht. Wer Herausforderungen scheut, soll halt keine Ämter übernehmen. Eines aber macht mich wütend: Da gewinnen Ina Yoko-Teutenberg und Trixi Worrack eine Rundfahrt, die Teams schneiden hervorragend ab, unsere Nachwuchsleute sind erstaunlich erfolgreich - alles wird zur Seite gedrängt. Da ich unsere Vereine, die Ehrenamtlichen und die Sportler nur ermutigen: wir müssen da durch und wir schaffen das auch."