Tokio (rad-net) - Felix Groß ist Anfahrer im deutschen Bahnvierer, der am Montag bei den Olympischen Spielen von Tokio in den Wettbewerb startet. In unserer Serie über die deutschen Olympia-Teilnehmer steht er heute im Fokus.
Felix Groß ist derzeit Deutschlands stärkster Verfolger. Bei der Heim-WM in Berlin raste der 22-Jährige über 4000 Meter zu einem nationalen Rekord (4:08,928 Minuten) und belegte damit im Kreis der Weltelite den fünften Rang. Das kleine Finale um Bronze hatte er nur knapp verpasst. Zudem besaß er als Anfahrer des Vierers einen Riesenanteil daran, dass im Velodrom die letzten notwendigen Punkte für die Olympia-Qualifikation erkämpft wurden und mit 3:50,304 Minuten ebenfalls ein neuer deutscher Rekord aufgestellt wurde. Jetzt träumt er von Olympischem Edelmetall.
«Diese WM vor heimischem Publikum und mit den zwei Rekorden war bisher das absolute Highlight für mich», sagt er, auch wenn er in Berlin keine Medaille gewinnen konnte. Die holte er einige Monate später, im Oktober 2020, bei der U23-EM in Italien. Sein Sieg in der 4000-m-Einerverfolgung, der dritte in Folge, war fast schon eingeplant, umso überraschender kam aber der Sieg im 1000-Meter-Zeitfahren. Dieses «Kunststück» hatte bis dahin nur ein Athlet bei internationalen Titelkämpfen erreicht: der Amerikaner Taylor Phinney 2009. «Das war schon der Hammer, dass ich das geschafft habe», meint Felix Groß. Und genau diese Fähigkeit, auf kurzen Distanzen eine Top-Zeit zu fahren, machen ihn zum wertvollen Anfahrer des Vierers.
Mit ihm will Groß in Tokio auf Medaillenjagd gehen und hat dabei die Bronzemedaille im Blick: «In Tokio wollen wir um Bronze kämpfen», sagt der Leipziger. «Ich freue mich sehr auf die Spiele. Wir haben auch in der Corona-Pandemie gut gearbeitet, darum hoffe ich, dass wir erfolgreich abschneiden werden», sagt der Leipziger, der seit 2017 zum Stamm-Vierer gehört.
Felix Groß ist in Feuchtwangen geboren, kam aber mit zwei Jahren nach Leipzig, weil es seinen Vater Mike, früher auch Rennfahrer, beruflich nach Sachsen verschlug. Als Kind spielte Felix Groß zunächst Fußball. Das tut er übrigens heute noch gern. «Stürmer, vorn links», erzählt er. Überhaupt haben es ihm die Ballsportarten angetan. Volleyball und Badminton spielt er auch gelegentlich. Aber seine größte Leidenschaft, die gehört dem Radsport. Felix Groß begann seine Karriere bereits sehr früh. Ab dem Alter von elf Jahren besuchte er das Landesgymnasium für Sport Leipzig, eine Eliteschule des Sports. 2014 wurde er deutscher Jugend-Meister im Omnium und deutscher Vize-Meister der Jugend in der Einer- sowie in der Mannschaftsverfolgung. 2016 errang er deutsche Junioren-Titel in der Einerverfolgung sowie im Straßenrennen. Ein Jahr später wechselte er zur deutschen Talentschmiede rad-net ROSE Team und belegte mit dem Vierer bei der Heim-EM in Berlin Platz vier. Da war er gerade 19 Jahre alt. 2018 wurde er erstmals U23-Europameister in der Einerverfolgung. Und danach ging es weiter steil bergauf.
Motivationsprobleme hat Felix Groß in der Pandemie nie gehabt, auch wenn die Wettkämpfe seit mehr als einem Jahr sehr spärlich sind. Im Elitebereich gab es seit der WM für Groß keine Möglichkeit, seine Spitzenstellung auf der Bahn unter Beweis zu stellen. Wegen Corona fielen die geplanten wichtigen Herausforderungen für ihn ins Wasser: Eine Deutsche Meisterschaft fand weder 2020 noch 2021 statt, auf die Reise zur EM ins bulgarischen Plowdiw verzichtete der Verband Mitte November 2020 aus Risikogründen. Einzig Profi Maximilian Levy, der im Sprint und im Keirin triumphierte, nahm auf eigene Verantwortung teil.
Aber wenigstens auf der Straße konnte Groß fahren, kam sogar in den Genuss, eines Trainingslagers an der Seite des zweifachen Tour-Siegers Tadej Pogacar. Das UAE-Team Emirates hatte ihn und zwei kolumbianische Nachwuchsfahrer im Januar zum Probetraining nach Abu Dhabi eingeladen. Der BDR hatte ihn dafür freigestellt. «Das war cool, mit Pogacar einmal am Frühstückstisch zu sitzen», schwärmt der Leipziger. Und die Teamleitung war von Groß so beeindruckt, dass sie ihm einen Profivertrag anboten. Nach den Spielen wird der Leipziger Teamkollege von Pogacar und wird ein weiteres Kapitel seiner Erfolgsgeschichte aufschlagen.
2020 konnte Felix Groß bei zwei Rundfahrten in Polen überzeugen, wo er zwei Etappen gewann und die Wertungstrikots im Sprint und in der Nachwuchswertung holte, Vierter der Gesamtwertung wurde und auch noch das Eintagesrennen Puchar Mon für sich entschied.
Von einer Profikarriere träumt der 22-Jährige seit er mit 13 Jahren vom SC DHfK Leipzig zum RSV 54 Venusberg wechselte, weil er das Material und die Trikots des Nachwuchsteams von Profi Marcus Burghardt – er begann im Erzgebirgsverein einst mit dem Radsport – cool fand. Der elffache Teilnehmer der Tour de France ist sein Vorbild, an ihm orientiert er sich auch mit Blick auf seine Zukunft. Denn die soll verstärkt auf der Straße liegen. Dass er da ebenfalls talentiert ist, zeigte er schon mit dem Sieg bei den Militär-Weltmeisterschaften im Straßenrennen 2018. Und irgendwann möchte Felix Groß bei der Frankreich-Schleife am Start stehen. Dafür stehen die Weichen gut, wenn er im August erstmals in seiner neuen Mannschaft UAE-Team Emirates startet.
Aber jetzt gilt die volle Konzentration der Vorbereitung auf Tokio.
Seit 2017 hat er einen Platz im Vierer, avancierte bei allen wichtigen Ereignissen zum Stammfahrer. Und freut sich jetzt auf seinen Einsatz in Tokio. Nächste Woche geht es los. Zielstrebig hat er zusammen mit seinen Teamkollegen Leon Rohde, Theo Reinhardt und Dominic Weinstein die Bronzemedaille im Blick. «Das wird schwer, wir müssen sicher deutschen Rekord fahren, um weit zu kommen. Aber wir können das», ist Groß zuversichtlich.
Dafür hat das deutsche Quartett in den letzten Monaten hart trainiert zwischen Mexiko und Frankfurt an der Oder. Am Montag geht es los. Um 17 Uhr starten die Vier in die Qualifikation.
Zehn Fragen an Felix Groß
Was war dein bisher schönster sportlicher Erfolg?
Meine EM-Siege, aber auch der siebte Platz bei der Heim-WM in Berlin, weil wir da Deutschen Rekord gefahren sind und die Stimmung so großartig war.
Was motiviert dich?
Ein ganz besonderes Zitat von Jürgen Höller: Es gibt keine Misserfolge, nur Resultate, aus denen man lernen kann.
Welche Vorbilder hast du?
Bradley Wiggins und Mark Cavendish, die den Schritt Straße/Bahn perfekt meistern. Und natürlich Marcus Burghardt.
Deine Lieblingsfächer in der Schule?
Sport und Musik. Ich kann nicht gut singen, aber es war entspannt im Unterricht zu sitzen.
Was ist dein Lieblingsessen?
Grützwurst mit Sauerkraut und Kartoffeln.
Nenne deine persönliche Stärke und Schwäche.
Ich bin diszipliniert, ehrgeizig und zielstrebig. Schwäche: Ich bin manchmal zu ungeduldig.
Auf was möchtest du nie verzichten?
Das wichtigste für mich sind meine Familie und meine Freunde.
Welchen Traum möchtest du dir im Leben noch erfüllen?
Mit dem Vierer Olympiasieger werden.
Was ist für dich ein perfekter Tag?
Bei Sonnenschein mit dem Rad die Landschaft bis in die Abendstunden genießen.
Welche Überschrift möchtest du gern einmal von dir lesen?
«Deutsches Flaggschiff wieder Olympiasieger».
Steckbrief Felix Groß
Team: rad-net ROSE Team
Geburtstag: 04.09.1998 in Feuchtwangen
Wohnort: Leipzig
Größe/Gewicht: 1,84 m/71 kg
Größte Erfolge:
2014: 1. DM Jugend Omnium
2016: 1 Deutscher U19-Meister Straßenrennen und Einerverfolgung
2017: 4. Bahn-EM Mannschaftsverfolgung
2018: 1. U23-EM Einerverfolgung, Militär-Weltmeister Straße, 1. DM Mannschaftsverfolgung (mit Liß, Lampater, Frahm)
2019: 1. U23-EM Einerverfolgung, 1. DM Einerverfolgung und Mannschaftsverfolgung (mit Reinhardt, Rohde, Schomber), 3. EM Einerverfolgung, 1. Weltcup Mannschaftsverfolgung
2020: 1. U23-EM Einerverfolgung und 1000-Meter-Zeitfahren, 7. WM Mannschaftsverfolgung, zwei Etappensiege und 1. Punkte- und Nachwuchswertung Dookoła Mazowsza, 1. Puchar Mon