Cottbus (rad-net) - In wenigen Wochen beginnen in Glasgow die Super-Weltmeisterschaften. Erstmals in der Geschichte des Radsports werden - bis auf Querfeldein - alle Weltmeistertitel an einem Ort vergeben. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hat in vielen Disziplinen große Medaillenchancen. Eine aussichtsreiche Kandidatin ist Franziska Brauße, die als Titelverteidigerin in der Einerverfolgung der Frauen antritt, und gestern Abend in Cottbus in ihrer Paradedisziplin Deutsche Meisterin wurde.
Als Franziska Brauße vor drei Jahren im Zuge der vorolympischen Berichterstattung gefragt wurde, welche Überschrift sie einmal von ihr lesen möchte, antwortete sie: «Franziska Brauße ist Weltmeisterin.» Im Oktober 2022 war es so weit: Die 24-Jährige raste in Saint-Quentin-en-Yvelines nahe Paris zum WM-Titel in der Einerverfolgung.
Doch schon ein Jahr zuvor machte sie Schlagzeilen, gewann in Tokio zusammen mit Lisa Brennauer, Mieke Kröger und Lisa Klein Olympisches Gold in der Mannschaftsverfolgung. Eine Medaille hatte sich das Team zum Ziel gesetzt, dass es Gold wurde, war die Krönung, der weitere große Triumphe folgten: Bei den Weltmeisterschaften stürmte das Quartett, das in Tokio in 4:04,242 Minuten einen neuen Weltrekord aufstellte, ebenso zum Sieg wie den Europameisterschaften in Grenchen. Zum Jahresende wurden die Vier verdient als «Mannschaft des Jahres» in Baden-Baden geehrt.
Franziska Brauße ist also erfolgsverwöhnt und derzeit die weltbeste Verfolgerin: Als amtierende Weltmeisterin und Europameisterin in der Einerverfolgung will sie in Glasgow das Regenbogentrikot erfolgreich verteidigen und mit dem Vierer ebenfalls aufs Podium. Dafür trainiert sie hart. Und kann im Wettkampf alles um sich herum ausschalten. «Da bin ich voll fokussiert. Das ist sicherlich eine Stärke von mir», sagt sie.
Für Frauen-Bundestrainer André Korff ist Brauße eine feste Größe im Team. Erst recht nach dem Rücktritt von Lisa Brennauer, die so etwas wie der «Motor» des Vierers war. «Franzi fährt immer extrem offensiv. Das ist einfach ihre Art, das hat sie weitergebracht. Daneben hat sie eine aerodynamische Sitzposition wie kaum eine andere», lobte er die Vorzüge der 23-Jährigen, die die aktuelle Straßensaison wieder für das Profiteam Ceratizit-WNT fährt.
Mit der bisherigen Straßensaison war Brauße nicht zufrieden. «Insgesamt war mein Frühjahr nicht sonderlich erfolgreich. Ich bin viele Rennen nicht zu Ende gefahren, mein Kalender hatte sich auf Grund von Ausfällen verändert», sagt sie und nennt den Scheldepreis als Highlight, «weil wir da als Mannschaft sehr gut zusammengefahren sind».
Wichtiger als die Platzierungen im Frühjahr war die persönlichen Entwicklung. «Die Qualifikation für die Olympischen Spiele auf der Bahn stehen im Fokus», sagt sie. Und dieses große Ziel vor Augen schafft Brauße auch immer wieder die Doppelbelastung von Bahn und Straße. «Meiner Meinung nach ist die Belastung auf der Straße sehr wichtig, um auf der Bahn erfolgreich zu sein», sagt sie. Dabei sei es nicht immer einfach, beide Kalender unter einen Hut zu bekommen, «aber mein Team Ceratizit-WNT kommt mir und den anderen Bahnfahrerinnen da sehr entgegen und weiß, wo die Prioritäten in der Zeit vor Olympia liegen», lobt sie ihre Sportliche Leitung.
In Glasgow wird Franziska Brauße auf der Bahn sowohl in der Einer- als auch in der Mannschaftsverfolgung an den Start gehen. «Ich fahre beides sehr gerne. Beide Disziplinen haben ihre Reize. Mit der Mannschaft auf dem Podium stehen ist immer besonders schön. Man gewinnt und verliert zusammen... Beim Einzel ist man auf sich selbst gestellt und wenn es nicht läuft, kann man den Fehler nur bei sich selbst suchen. Man steckt alles, was man hat, in diese drei Kilometer und hofft, dass man am Ende die schnellste ist», will sie weder der einen noch der anderen Disziplin den Vorzug geben und möchte in Glasgow am liebsten zweimal aufs Podest.
«Wir haben gute Erinnerungen an die Bahn. Auch wenn wir jetzt mit einer anderen Mannschaft am Start sind, würden wir natürlich gerne wieder mit einer Medaille nach Hause fliegen. Beim Weltcup in Kanada haben wir ja auf jeden Fall gezeigt, dass wir das Zeug dazu haben», hofft Brauße trotz Umstrukturierung des Vierers auf eine Medaille im Quartett.
«Nach Lisa Brennauers Rücktritt mussten wir uns als Mannschaft neu finden. Nicht nur, dass uns eine starke Fahrerin fehlt, sondern Lisa hat uns als Mannschaft auch enorm zusammengehalten. Ich denke aber, was die Taktik und Stärke des Vierers angeht, haben wir schon was gutes Neues gefunden, und auch als Mannschaft funktionieren wir gut. Unsere jüngsten Erfolge haben gezeigt, dass wir vorn mitfahren können», blickt die Olympiasiegerin optimistisch nach Glasgow, wo auch eine erfolgreiche Titelverteidigung ein großes Ziel ist. Aber Brauße weiß: «Das wird nicht einfach, wenn die Weltrekordhalterin Chloe Dygert am Start ist.»
Der DM-Titel gestern Abend in Cottbus hat aber schon mal gezeigt, dass Franziska Brauße auf einem sehr guten Weg ist.