Leipzig (dpa) - Den Traum vom zweiten Pflasterstein hat John Degenkolb noch lange nicht aufgegeben. Damit die schwere Trophäe von seinem Sieg bei der Klassiker-Königin Paris-Roubaix 2015 nicht mehr lang allein herumstehen muss, ist Deutschlands Radstar zu seinen Wurzeln zurückgekehrt.
Nach fünf Jahren fährt Degenkolb von Januar an wieder für das Team DSM. «Ich habe immer gefühlt, dass das Team meine Heimat ist. Der Geist ist immer noch derselbe, viele Mitfahrer von früher sind jetzt im Management», sagte Degenkolb.
Die Rückkehr zum niederländischen Equipe mit deutscher Lizenz lässt durchaus Aufhorchen. Denn in den vergangenen Jahren ist die Mannschaft des detailversessenen Chefs Iwan Spekenbrink eher dadurch in die Schlagzeilen geraten, dass Fahrer ihre Verträge vorzeitig aufgelöst haben. Tom Dumoulin war der bekannteste Profi, der sich nicht mehr bis ins letzte Promille vorschreiben lassen wollte, was er zu tun habe. «Ich habe mich damals in den fünf Jahren sehr wohl gefühlt, die erfolgreichste Zeit meiner Karriere gehabt und bin wieder herzlich aufgenommen worden», konterte Degenkolb.
Degenkolb fühlt sich konkurrenzfähig
Von 2012 bis 2016 siegte der gebürtige Thüringer nicht nur in Roubaix, sondern auch bei Mailand-Sanremo, Gent-Wevelgem, Paris-Tours und auf insgesamt zehn Etappen der Spanien-Rundfahrt. 36 Siege feierte Degenkolb im Trikot des Teams, in den Jahren danach kamen nur noch sechs Erfolge hinzu.
Das soll sich jetzt ändern - trotz des Alters. «Ich bin nun 32, werde bald 33, aber ich bin nicht zu alt, um auf dem höchsten Level und in den größten Rennen noch konkurrenzfähig zu sein. Es ist nicht so, dass ich keinen Bock mehr habe, Radrennen zu gewinnen», betonte Degenkolb. Dennoch wird seine Rolle eine etwas andere sein als in seiner ersten Zeit bei DSM. Dass er als klarer Kapitän in ein Klassikerrennen geht, ist längst nicht garantiert.
Degenkolb ist auch zurückgeholt worden, um seine Erfahrung an die nächste Generation weiterzugeben. «Jemand mit Johns Erfahrung ist nicht nur in den hektischen Momenten wichtig, sondern hilft auch dabei, sich außerhalb der Rennen anzutreiben und besser zu werden», sagte Cheftrainer Rudi Kemna. Man glaube daran, Degenkolb könne das Team beim Kampf um gute Ergebnisse anführen.
Die Aufgabe als Klassik-Papa damit zu verbinden, auch selbst Ergebnisse einzufahren, wird der eigentliche Balance-Akt. «Das wird kein Selbstläufer, dafür muss man ordentlich was tun», sagte Degenkolb. «Um gegen Fahrer wie Wout van Aert und Mathieu van der Poel zu bestehen, reicht es nicht aus, eine Speerspitze zu haben. Dafür braucht man Mannschaftsstärke.»
Motiviert zurück zum alten Team
Seine eigene Motivation, habe sich durch die Rückkehr zu DSM «noch einmal nach oben geschoben». Wie ehrgeizig Degenkolb noch ist, zeigt sich an einem Beispiel. Zusammen mit Trainer Sebastian Deckert brütete er wochenlang über seinen Renndaten, wollte herausfinden, warum es in diesem Jahr nicht so lief wie im Herbst 2020 nach der Corona-Pause. Damals war Degenkolb bei Gent-Wevelgem und der Flandern-Runfahrt in die Top Ten gefahren, war mit der Weltspitze auf Augenhöhe.
Dort will er schnell wieder hin. «Ich will um Siege mitfahren. Denn diese Gefühl ist einfach unbeschreiblich», sagte Degenkolb. Druck hat er längst nicht mehr. Denn als einziger deutsche Roubaix-Sieger nach Josef Fischer 1896 steht er längst in den Geschichtsbücher. Was noch kommt, ist sozusagen Bonus.