Courchevel (dpa) - Als Jonas Vingegaard auf dem Flughafen von Courchevel über den Zielstrich rollte, quälte sich sein großer Rivale Tadej Pogacar noch auf der Königsetappe der Tour de France.
Der Slowene erlebte den größten Einbruch seiner Karriere und musste alle Hoffnungen auf das Gelbe Trikot begraben. Der Gesamtführende Vingegaard liegt nach 17 Etappen 7:35 Minuten vor Pogacar, den Dänen kann wohl nur noch ein Sturz den zweiten Tour-Sieg kosten. Die Etappe gewann der Österreicher Felix Gall. Der 25-jährige vom Team AG2R CITROEN verbesserte sich in der Gesamtwertung auf den achten Platz. Im Kampf um das Bergtrikot liegt Gall mit sechs Punkten Rückstand auf Platz zwei.
Alles fieberte nach der herben Pleite im Zeitfahren vom Dienstag auf den großen Gegenschlag von Pogacar hin, doch das Gegenteil trat ein. Der Slowene musste am Col de la Loze etwa 15 Kilometer vor dem Ziel abreißen lassen. Dabei war in dem 28 Kilometer langen und bis zu 24 Prozent steilen Anstieg noch nicht der schwierigste Abschnitt erreicht.
«Ich kann nicht mehr. Ich bin tot»
Das Dach der Tour war mit 2304 Metern Höhe zu hoch für Pogacar, der offenbar angeschlagen ist. «Ich kann nicht mehr. Ich bin tot», funkte Pogacar zu seinem Teamwagen. Vingegaard reagierte umgehend und erhöhte das Tempo massiv. Selbst ein die Straße blockierendes Motorrad stoppte ihn nicht.
Die brutale Etappe mit 5400 Höhenmetern und vier Bergen begann für Pogacar schon mit einem Missgeschick. Nach 17 Kilometern stürzte der 24-Jährige, zog sich blutende Wunden am linken Knie und Ellenbogen zu. Zunächst schien es nicht so, als sei Pogacar davon beeinträchtigt. Das Tempo im Feld bestimmte das Jumbo-Team von Vingegaard, Pogacar wich ihm nicht von der Seite.
Das schier unglaubliche Zeitfahren von Vingegaard, als er Pogacar um 1:38 Minuten distanzierte und seinen Teamkollegen Wout van Aert um fast drei Minuten, sorgte auch am Tag danach für Diskussionen. So eine Dominanz weckt im Radsport aufgrund der Vergangenheit Skepsis.
Verständnis für Skeptiker
Das Tour-Organ «L'Équipe» titelte zu einem Foto von Vingegaard «Von einem anderen Planeten». Selbst Tour-Direktor Christian Prudhomme sah sich veranlasst, einen Kommentar abzugeben. «Die Fragen zu den verschiedenen Verdächtigungen sind absolut nicht unberechtigt», sagte der 62-Jährige der Zeitung. Vor wenigen Tagen hatte Vingegaard selbst gesagt, dass er die Skeptiker verstehen könne. Er betonte, dass er nichts nehmen würde und seine Siege nie aberkannt würden.
Deutlich zu viel waren die Strapazen letztlich für Phil Bauhaus. Der Sprinter war schon nach dem ersten Berg vom Rest des Feldes abgehängt, fuhr allein vor dem Besenwagen. Etwa 105 Kilometer vor dem Ziel gab der Bocholter schließlich auf. Bauhaus hatte in den Massensprints der Tour mit einem zweiten und zwei dritten Plätzen auf sich aufmerksam gemacht. «Wenn ich rausfalle, wird es schwer», hatte Bauhaus bereits vor der Etappe mit Blick auf das Gruppetto gesagt. In dieser Gruppe schließen sich in den Bergen die Sprinter zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Nach dem Einzelzeitfahren am Dienstag klagte Bauhaus bereits über große Müdigkeit und meinte: «Die Tour ist bisher mit Abstand das Schwerste, was ich bisher gemacht habe.»
Am Donnerstag hätte der 28-Jährige wieder eine Chance auf ein gutes Ergebnis bekommen. Die 184,9 Kilometer von Moutiers nach Bourg-en-Bresse weisen nur zwei kleine Anstiege der vierten Kategorie auf, insgesamt werden nur 1200 Höhenmeter eingesammelt. Der Belgier Jasper Philipsen wird auf seinen fünften Etappensieg bei der diesjährigen Tour hoffen.