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Tadej Pogacar (re.) konnte Jonas Vingegaard gestern am Puy de Dôme einige Sekunden abnehmen. Foto: Pool Bernard Papon/Belga/dpa
10.07.2023 12:53
Pogacar als mentaler Sieger im Duell mit Vingegaard

Clermont-Ferrand (dpa) - Jonas Vingegaard genoss die Auszeit von der Sekundenhatz mit den beiden wichtigsten Frauen seines Lebens.

Nach einer kurzen Trainingsfahrt am ersten Ruhetag der bisher nervenaufreibenden Tour de France verbrachte der Titelverteidiger ein paar ruhige Stunden mit Frau Trine und Tochter Frida. Die beiden hatten ihn bereits oben auf dem legendären Puy de Dôme empfangen, auf dem der 26-Jährige im Duell mit Tadej Pogacar den nächsten Rückschlag verarbeiten musste.

Nur 17 Sekunden liegt Vingegaard im Klassement vor dem zweimaligen Champion aus Slowenien. Die Tendenz: Pogacar wird jeden Tag besser, Vingegaard konnte bereits zwei Attacken nicht folgen. Der ohnehin stets in sich ruhende Däne sieht das ein wenig anders. «Ich bin froh, nach der ersten Woche das Gelbe Trikot zu haben. Die bisherigen Etappen lagen Tadej mehr als mir. Ich freue mich auf die Alpen», sagte Vingegaard und räumte ein: «Es wird ein erbitterter Kampf bis zum Ende.»

Riis mit Zweifeln
Bjarne Riis ist da weniger optimistisch. Der erste dänische Tour-Sieger - damals im Trikot des Teams Telekom - sah bei seinem Landsmann unerwartete Schwächen. «Zweifellos hat die Hitze ihm zugesetzt. Es ist nie gut, wenn man Zeit auf seinen größten Rivalen verliert, aber er hat den Schaden in Grenzen gehalten», schrieb der 59-Jährige in seiner Kolumne für «B.T.». «Tadej Pogacar hat Blut geleckt. Ich denke, er ist ein wenig sauer auf sich selbst, dass er nicht früher angegriffen hat.»

Dabei wirkte der Kampf schon nach der ersten Bergetappe fast entschieden. Vingegaard nahm Pogacar über eine Minute ab. Der 24-Jährige, so die einhellige Meinung, litt wohl noch unter den Folgen eines Ende April erlittenen Kahnbeinbruchs. Doch Pogacar schlug im Stil eines Champions zurück und entschied die beiden folgenden Bergankünfte für sich. Der Leistungsunterschied zwischen den beiden Überfliegern ist marginal, momentan wohl bei jenen acht Sekunden, die Pogacar Vingegaard vor dem Ruhetag abnahm.

Längst ist die Rede davon, dass der bisher knappste Ausgang der Tour-Geschichte unterboten werden könnte: 1989 trennten Sieger Greg LeMond acht Sekunden von Laurent Fignon. In der Tour-Heimat Frankreich zieht das Duell die Massen an und lockt sie trotz Ferienbeginn und Temperaturen jenseits der 30 Grad an die Strecke und vor den Fernseher. Am Sonntag schauten in der Spitze acht Millionen zu, als erstmals nach 35 Jahren wieder der Puy de Dôme erklommen wurde.

Gute TV-Quoten
In Deutschland erreichte die ARD ebenfalls einen Top-Wert. Die Übertragung am Sonntag sahen im Schnitt zwei Millionen Menschen, was einem Marktanteil von 14,2 Prozent entsprach. Allerdings war die Tour in einen langen Sportnachmittag mit den Finals eingebettet.

Pogacar befindet sich derweil in einer perfekten Position. Mental, weil die beiden Bergankünfte durchaus Wirkungstreffer bei Vingegaard waren. Taktisch, weil er (noch) nicht das Gelbe Trikot hat und seinem Team somit eine Menge Arbeit an der Spitze des Feldes erspart. Er hatte nach seiner mehrwöchigen Trainingspause und aufgrund der fehlenden Rennpraxis ohnehin darauf gesetzt, im Verlauf der Tour immer besser in Form zu kommen. «Ich bin sehr froh darüber, dass ich Jonas unter Druck setzen kann», sagte Pogacar. «Ich bin hier für den Sieg.»

In der zweiten Tour-Woche dürfte es zu einer kleinen Verschnaufpause im Duell um die Sekunden kommen. Die Etappen bis zum Donnerstag sind für Ausreißer und Sprinter konzipiert. Zudem soll sich die über dem Zentralmassiv hängende Hitze erst am Mittwoch in einem Gewittersturm entladen.

Am Freitag wird sich zeigen, ob Vingegaards Vorfreude auf die Alpen berechtigt ist. Die Etappe endet auf dem über 17 Kilometer langen Grand Colombier. Auf dem unrhythmischen Anstieg der höchsten Kategorie sollte der Däne keine weitere Zeit verlieren. Sein Fokus dürfte auf der Schlusswoche liegen, wenn es über den 2304 Meter hohen Col de la Loze geht. In der Höhe, das hat bereits der Tourmalet gezeigt, hat der Titelverteidiger offenbar Vorteile gegenüber Pogacar.

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