Kopenhagen (dpa) - Als Judith Arndt im Anschluss an ihren WM-Coup in Kopenhagen gefragt wird, ob Olympia 2012 ihr nächstes Ziel sei, wirkt sie zunächst etwas irritiert.
«Äh... ja?!», antwortet die neue Zeitfahr-Weltmeisterin, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, auch mit dann 36 Jahren der Konkurrenz auf und davon zu fahren. Aber der Leipzigerin ist alles zuzutrauen, von Konventionen hielt sie in ihrer Karriere ohnehin nie viel. Und sie ist eine Kämpferin, deren langer Atem sich am Dienstag im dänischen Regen ausgezahlt hatte. Mit Gold erreichte Arndt endlich das Ziel, das sie sich seit ihrer ersten WM-Medaille vor 14 Jahren in San Sebastian gesteckt hatte.
Dass sie ihren Sieg ohne Funkunterstützung eingefahren hatte, ist bezeichnend. «Ich konzentriere mich lieber auf mich selbst», erklärte Arndt. «Mich macht das immer fertig, wenn mir einer sagt, dass ich hinten liege oder mir irgendwelche anderen gute Ratschläge geben.» Was sie von der Meinung anderer - auch im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) - hält, macht die routinierte Fahrerin oft deutlich. Unvergessen ist auch heute noch ihr berühmter «Stinkefinger» bei Olympia 2004, als sie zwar die Silbermedaille gewann, damit unzufrieden dem Verband aber eine falsche Besetzung und taktische Fehler vorwarf.
Auf der Straße gehört Arndt seit Jahren zu den Besten, sammelte Edelmetall wie kaum eine andere - allein bei WM-Zeitfahren fuhr sie seit 1997 zu drei Silber- und zwei Bronze-Medaillen. Im Straßenrennen könnte sie nach ihrem Straßentitel 2004 und dem WM-Erfolg vom Vortag sogar ihr drittes WM-Gold holen. «Wir haben als Team eine Super-Chance, aber da denk ich noch nicht dran», meinte sie.
Vielmehr geistert 2012 in ihrem Kopf herum, wenn unter anderem erstmals ein WM-Teamzeitfahren ausgetragen wird. «Das ist ein großes Ziel von mir», sagte Arndt dem Online-Dienst Cyclingnews.com - mit der Highroad-Mannschaft, die im nächsten Jahr unter einem anderen Namen weitermachen wird, gehört sie in Limburg zu den absoluten Topfavoriten.
Außerdem steht 2012 wieder Olympia an - und Arndt liebäugelt mit der Rückkehr auf ein altbekanntes Terrain. Jüngst meldete sie sich für die Deutschen Bahn-Meisterschaften in der Disziplin Omnium Anfang Oktober in Berlin an. «Da kann ich dann gucken, ob es Sinn macht, das weiter zu verfolgen», sagte die 35-Jährige, die im Winter zwischen München, Leipzig und dem fernen Australien pendeln will.
1996 hatte Arndt bei den Olympischen Spielen in Atlanta in der Einerverfolgung ihre erste Medaille gewonnen - in London könnte sich im nächsten Jahr der Kreis schließen. «Ich habe auf der Bahn angefangen, und die Idee taucht immer wieder in meinem Kopf auf, dass meine Karriere auch so enden muss.»