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Fabian Wegmann fährt wohl die letzte Tour für das Milram-Team.
13.07.2010 15:12
Milram-Radteam vor Aus: Sponsor dreht Geldhahn zu

Saint-Jean-de-Maurienne (dpa) - Die letzte große Hoffnung hat sich zerschlagen - der Milram-Rennstall steht vor dem Aus. Teamchef Gerry van Gerwen musste nach seinem Bittgang nach Bremen einräumen, dass die Nordmilch AG seine Equipe ab 2011 definitiv nicht mehr finanziell unterstützen wird.

«Sie haben wiederholt: 'Wir machen kein weiteres Sponsoring'», sagte der Niederländer der Nachrichtenagentur dpa. Zugleich gab van Gerwen 18 Stunden nach dem klärenden Gespräch mit seinem Noch-Geldgeber zu, dass er in den Unterredungen mit anderen Interessenten bislang nicht über «Ansatzpunkte» hinausgekommen sei: «Heute und jetzt habe ich keinen Vertrag vorliegen - auch keine Tendenz dahin.» Sollte - wie erwartet wird - seine Sponsorensuche erfolglos bleiben, würde Deutschland 13 Jahre nach den Hochzeiten des Jan-Ullrich-Booms von der großen Radsport-Bühne verschwinden.

«Der Niedergang des deutschen Radsports hat sich mit dem Ausstieg von T-Mobile und danach Gerolsteiner fortgesetzt. Das Milram-Aus ist jetzt der Tiefpunkt», sagte der frühere Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer der dpa. Der Schwabe hatte selbst vor zwei Jahren seinen Rennstall nach erfolgloser Geldgebersuche - nicht zuletzt aufgrund anhaltender Doping-Schlagzeilen - schließen müssen.

Nun droht van Gerwen das gleiche Schicksal. Und die Fahnenflucht seiner Fahrer, die unmittelbar vor dem Start der 9. Etappe der 97. Tour de France nach Saint-Jean-de-Maurienne die Hiobsbotschaft erhielten, muss der Teamchef hilflos verfolgen. «Wir befinden uns jetzt auf Bewerbungsfahrt. Die Nachricht überrascht mich wenig», sagte Johannes Fröhlinger, bevor er am Dienstag den Worten umgehend Taten folgen ließ und früh mit einer Fluchtgruppe ausriss.

Einen Tag zuvor hatte bereits Kapitän Linus Gerdemann erklärt, dass während der Tour Gespräche mit anderen Teams laufen. So wird der Wahl-Schweizer mit einem neuen Top-Team aus Luxemburg in Verbindung gebracht, Topsprinter Gerald Ciolek bezeichnete den alten Arbeitgeber HTC-Columbia als «interessante Alternative». «Mein Vertrag läuft aus. Da ist es normal, dass man sich neu orientiert», sagte der Pulheimer. «Es ist traurig, wenn das kaputtgeht», kommentierte van Gerwen den beginnenden Zerfall.

Das sich abzeichnende Ende des Milram-Teams fünf Jahre nach seiner Gründung stürzt den deutschen Profi-Radsport in die Zweitklassigkeit. Im kommenden Jahr könnte nur noch Newcomer NetApp mit einer ProContinental-Lizenz die deutschen Farben vertreten. «Wir fallen zurück wie damals zu meiner Anfangszeit», meinte Milrams Sportlicher Leiter Christian Henn, der 1988 seine Profi-Karriere begonnen hatte. «Gerade für den Nachwuchs ist das besonders schlimm», pflichtete Milram-Fahrer Christian Knees bei.

Van Gerwen war extra von der Tour nach Bremen gereist, um nochmals über das jährlich auf rund acht Millionen geschätzte Engagement und «vor allem über Kommunikation» zu sprechen. Auf die Frage, ob er den Milchkonzern, der er zuvor als kurzfristig einzige Hoffnung bezeichnet hatte, abhaken könne, sagte der 57-Jährige: «Das stimmt.»

Trotz der neuerlichen Abfuhr will van Gerwen aber noch nicht aufgeben. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich 2011 keine Mannschaft habe», wiederholte er trotzig. Dies sage ihm sein «Bauchgefühl» - und «außerdem habe ich noch nie in meinem Leben verloren». Den Mut der Verzweiflung schöpft er aus telefonischen Anfragen, die er noch immer erhalte. Doch «konkret ist nichts».

Sein ehemaliger Kollege Holczer kann nachempfinden, wie sich van Gerwen fühlen muss. 2008 war der Mathematiklehrer von Pontius bis Pilatus gerannt, um sein sportliches Lebenswerk zu retten. Dass van Gerwen gelingt, was ihm versagt blieb, glaubt der einstige Gerolsteiner-Teamchef nicht. «Im Moment überwiegt weiter die Angst vor möglichen Zwischenfällen - sprich: Doping. Diese Angst würgt alles ab.»

Gleichwohl sei er gespannt, «wann in Deutschland die enormen Möglichkeiten wiederentdeckt werden, die dieser Sport im Marketing bietet». Er selbst liebäugelt jedenfalls wieder mit einer Rückkehr in den als Problembranche verschrienen Radsport: «Eine Agentur hört sich für mich um.»


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