Berlin (dpa) - Seine Tour-Teilnahme hängt am seidenen Faden. Seinen Premieren-Start beim Giro wird Lance Armstrong wegen der Nachwehen der Schlüsselbein-Operation nicht im Vollbesitz seiner Kräfte in Angriff nehmen, auch wenn er Optimismus versprüht.
Das im Januar gestartete Comeback des 37-jährigen Seriensiegers verlief bisher nicht unbedingt nach Plan. Sollte ihn die französische Anti- Doping-Agentur AFLD für die Behinderung einer Kontrolle am 17. März für Rennen in Frankreich sperren - womit inzwischen Armstrong selbst rechnet - fehlt ihm die größte Bühne des Radsports. Die Hoffnung auf einen Giro-Start ist gewachsen, nachdem die Heilung enorme Fortschritte gemacht hat. «Ich gehe davon aus, dass ich stark und fit ins Rennen gehen werde. Ob ich um den Sieg mitfahren kann, weiß ich nicht, aber über die Genesung kann ich mich nicht beklagen», sagte Armstrong «cyclingnews».
Die als kompromisslos bekannte AFLD will in der ersten Mai-Woche entscheiden, ob der siebenfache Tour-Sieger wegen Verzögerung der Doping-Kontrolle während eines Trainingsaufenthaltes in Beaulieu-sur- Mer sanktioniert wird. «Es besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie mir verbieten werden, die Tour zu fahren. Unglücklicherweise muss ich damit rechnen, dass die Situation eskaliert und noch mehr bizarre Dinge vonseiten der AFLD kommen», ließ Armstrong in einem Video auf der Seite seiner Anti-Krebs-Stiftung «Livestrong» verlauten. Optimistischer hörte sich Tour-Direktor Christian Prudhomme an, der «sich vorstellen kann, dass Armstrong sowohl den Giro als auch die Tour fährt».
Weitere Schützenhilfe bekam der Seriensieger vom Weltverband UCI, der wie der Tour-Veranstalter ASO vom offensichtlich besonderen Werbewert des geheilten Krebspatienten überzeugt ist. «Die AFLD ist unprofessionell vorgegangen, als sie die Presse informierte, bevor die Angelegenheit intern geklärt ist», sagte UCI-Chef Pat McQuaid. Der Ire hatte schon unmittelbar nach Bekanntwerden der AFLD- Beschwerde gegen Armstrong reagiert: «So weit wir das beurteilen können, hat er weder UCI- noch WADA-Recht gebrochen.» Am Sonntag sagte er der «L'Équipe»: «Sollte er gesperrt werden, werden wir mit unseren Anwälten sehen, was wir dagegen tun können.»
Armstrong war am 17. März nach einer Trainingsfahrt erst einmal ohne Aufsicht unter die Dusche verschwunden und hatte den AFLD- Kontrolleur 20 Minuten wartenlassen. Erst danach gestattete er eine Urin- und Blut-Probe sowie eine Haar-Entnahme. Via Twitter zog Armstrong die AFLD durch den Kakao und teilte der Welt aus dem US- Skiparadies Aspen mit: «Gerade eine Dusche genommen - unter zehn Minuten.» Der AFLD-Test war laut Armstrong («Natürlich fühle ich mich auf's Korn genommen») die 24. Kontrolle seit seiner Comeback- Ankündigung. Nicht einmal hätte es zu beanstandende Befunde gegeben.
Die AFLD unter Pierre Bordry hat den Astana-Kapitän schon lange auf dem Kieker. Zum Jahresbeginn hatte sie ihn aufgefordert, eingefrorene Urin-Proben aus dem Jahr 1999 ein drittes Mal analysieren zu lassen, um unbeschwert von Vorurteilen in die Tour 2009 zu gehen. Armstrong lehnte ab und erhielt UCI-Rückendeckung. 2005 hatte eine unmittelbar nach dem Tour-Ende vorgenommene Analyse in sechs der sechs Jahre alten Proben Armstrongs EPO nachgewiesen. Das blieb aber ohne juristische oder sportrechtliche Konsequenzen.