Gueugnon (dpa) - Er kämpft gegen den Krebs in aller Öffentlichkeit. Fast täglich, vor einem Millionen-Fernsehpublikum. Laurent Fignon kommentiert die 97. Tour de France im französischen TV mit leiser, rauer Stimme.
«Ein Tumor drückt auf die Stimmlippe. Deshalb höre ich mich so an», erklärte der Toursieger von 1983 und 1984 der Zeitung «Le Parisien». Vor der Tour 2009 war bei Fignon - früheres Erkennungszeichen: Nickelbrille und blonder Pferdeschwanz - Darmkrebs diagnostiziert worden. Die ersten Chemotherapien schlugen nicht an. Trotzdem hofft Fignon, «dass ich wieder gesund werde, und die Stimme zurückkommt». Im August feiert er einen runden Geburtstag. «Ich will nicht mit 50 sterben», sagte der Franzose zu Beginn dieser Tour.
Seine profunden Kommentare waren beim Prolog in Rotterdam und bei der Kopfsteinpflaster-Etappe in Arenberg zu hören. «Ich habe mit meinem Arbeitgeber ausgehandelt, dass ich immer nach Paris zurückkehren kann, wenn ich zu müde bin. Ich komme in den Alpen wieder zur Tour und dann in den Pyrenäen», kündigte Fignon an. In seiner Tour-Abwesenheit wird er ersetzt von Laurent Jalabert, einer weiteren Ikone des französischen Radsports der 90er Jahre.
Sportlich war Fignon bei der Tour vor 21 Jahren zur tragischen Figur geworden. In der Endabrechnung nach mehr als dreiwöchiger Tortour war er dem Amerikaner Greg LeMond um lumpige acht Sekunden unterlegen - der knappste Rückstand der Tourgeschichte. Am 23. Juli 1989 verlor Fignon das abschließende Zeitfahren über 24,5 Kilometer von Versailles auf die Champs Elysées. LeMond hatte gegen den guten Zeitfahrer aus Paris in einer unglaublichen Triumphfahrt 58 Sekunden gutgemacht: Fignon weinte, die Radsport-Nation Frankreich trauerte.
Mit Lance Armstrong ist Fignon seit dessen Krebs-Diagnose 1996 befreundet. Nach Vermittlung des Texaners hatte sich Fignon zu Beginn des Jahres von einem Spezialisten in den USA behandeln lassen. Bisher mit wohl noch nicht durchschlagendem Erfolg. «Ich habe meine Ärzte angewiesen, mir nicht mitzuteilen, wie hoch meine Überlebenschancen sind. Ich kämpfe weiter», sagte Fignon.
Im Vorjahr hatte der Ex-Profi ein Buch mit dem übersetzten Titel «Wir waren jung und unschuldig» veröffentlicht. Darin nahm er auch Stellung zu möglichen Zusammenhängen zwischen eigenen Doping-Praktiken während seiner aktiven Zeit und seiner Krankheit. Die Dosen und Medikamente, die damals laut Fignon üblich gewesen seien, «sind im Vergleich zur heutigen Praxis ein Witz, behaupteten die Ärzte». Die langfristigen Auswirkungen spezieller Methoden zur Leistungssteigerung auf die heutige Fahrer-Generation könnte aber wahrscheinlich erst «in 20 Jahren» beurteilt werden.
21 Jahre nach seinem legendären Duell mit Fignon rückte derweil der dreifache Tour-Champion Lemond seinen Landsmann Armstrong in die Nähe von Doping. «Ich habe Lance mal erzählt, hätte ich Epo genommen, dann hätte ich wohl mit acht Minuten anstatt mit acht Sekunden Vorsprung die Tour 1990 gewonnen. Darauf sagte Armstrong: 'Komm, jeder nimmt doch EPO'. So war das Gespräch mit Armstrong», sagte LeMond in der ARD. Der Texaner Armstrong hat Doping stets bestritten.